2020 年 28 巻 p. 36-45
In der zweiten naturphilosophischen Schrift Von der Weltseele (1798) hat Schelling die Ansicht geäußert, dass die alte Lehre vom Äther, die auch in der Neuzeit wieder aufgegriffen wurde, aufhöre hypothetisch zu sein und nun zur Evidenz gebracht würde (SW II, 389). Aufgrund dieses Gedankens erörtert Schelling in den folgenden Schriften die mit dem Ätherbegriff zusammenhängenden verschiedenen naturphilosophischen Fragen weiter. Fast gleichzeitig hat auch Kant am Abend seines Lebens die Aufmerksamkeit auf diesen Begriff gelenkt, um die Aufgabe zu lösen, eine Brücke über die Kluft zwischen der Metaphysik der Natur und der Physik die Brücke zu schlagen. Die sog. ,Ätherdeduktion‘ im Entwurf “Übergang 1-14” (1799) des Nachlaßwerks beschäftigt sich konzentrisch mit dieser Aufgabe, wobei die Existenz des Äthers oder Wärmestoffes zuerst direkt durch Erfahrung und danach indirekt durch eine Zusammenstimmung dieser Urmaterie mit der Erfahrung überhaupt sowie der Möglichkeit derselben bewiesen wird (AA XXI, 236). Dieser transzendentale Beweis führt Kant zu einer neuen Konzeption der Vereinigung der ‚kollektiven‘ und der ‚distributiven‘ Einheit (XXI, 551), obwohl beide im kritischen Sinne als das regulative einerseits und als das konstitutive Prinzip andererseits streng unterschiedlich gebraucht werden sollen. Eine solche neue Konzeption scheint die einst von Kant selbst festgelegte Grenze möglicher Erfahrung der menschlichen Vernunft in die Richtung des deutschen Idealismus zu überschreiten, vor allem im naturphilosophischen Sinne einer „spekulativen Physik“ bei Schelling.