In der Debatte um Christa Wolfs
Was bleibt ist klar geworden, wie erstens die Grundstruktur der Literatur bei DDR-Schriftstellern wie Wolf bestellt ist und daß zweitens in Parallele dazu auch unter den BRD-Schriftstellern die Konstellation der Nachkrigsliteratur ins Wanken geraten ist. Es geht nicht um Christa Wolf, sondern darum, woran linke Intelektuelle gescheitert sind.
Was bleibt behandelt zugleich die Überwachung durch die Stasi und die dadurch gebildete Selbstkontrolle in der Schriftstellerin. Christa Wolf hat am 4. November 1989 vor Demonstranten gesagt, jede revolutionäre Bewegung befreie auch die Sprache. Das heißt, ihre Sprache ist bis dahin unfrei gewesen. Diese Fesselung der Sprache bei ihr kommt aus zwei Gründen: aus der existenziellen Unmöglichkeit der Äquivalenz von Tat und Sprache und der Kontrolle von außen und innen. Ihre literarische Welt besteht auch aus zwei Elementen: aus dem Sozialismus als Anspruch und dem Ich als kritischem Gesichtspunkt. Dieser Gesichtspunkt des Autors, die vierte Dimension, ermöglicht ihr zwar die Koordinate der zeitgenössischen Kritik, aber er bereitet ihr auch die Gefahr, wegen der gewählten Moral sich vollkommen nackt der Kontrolle von außen stellen zu müssen. Dies ist die typische Struktur für ihre Generation, die vom Marxismus so tief beeindruckt wurde, daß ihr Ich sie selbst kontrollieren kann. Ein gutes Beispiel des gegen diese Literatur entstandenen Topos bietet Uwe Kolbe, indem er durch seine Kritik an Volker Brauns
Jazz zeigt, wie Braun als Kritiker der Verhältnisse die Rolle des Selbstkritikers der SED spielt. Ein anderes Beispiel ist Christoph Hein, der in seiner chronistischen Prosa mittelbar kritisch gearbeitet hat. Aber er war auch nicht ganz frei von der Macht der DDR-Diskurse, wie im Scheitern an
Das Napoleon-Spiel klar wurde. Um der neuen Situation gewachsen zu sein, wird von den literarischen Diskursen der DDR gefordert, sich irgendwie zu ändern.
In der BRD-Literatur zeigt sich die Nicht-Übereinstimmung der Diskurse und der System-Kritik am klarsten an der Debatte um Botho Strauß' Essay
Anschwellender Bocksgesang. Grass' Zorn ist nicht schwer zu verstehen, wenn er sagt, er bedurfte nicht der nationalen Krücke, um sich als Deutscher zu begreifen, und wer gegenwärtig über Deutschland nachdenkt (…), müsse Auschwitz mitdenken. Adorno hat zwar gesagt, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben sei barbarisch, aber sein Satz galt nicht nur der Kunst selber, sondern vielmehr der Verdinglichung der Kulturkritik, ihm ging es also um die scheinbar kritischen affirmativen Intellektuellen. Bei Grass läßt sich in diesem Sinn bezweifeln, ob er durch seine Behauptungen nicht doch seinen literarischen Diskurs fixiert und verengt; ob er durch das Festklammern an seiner Haltung nicht ergiebige Fragestellungen behindert.
Es ist Enzensberger, der als erster das Versagen der deutschen Intellektuellen thematisiert und den Tod der Literatur erklärt hat, weil diese nach dem Krieg als Repräsentant der Kultur die Ersatzfunktion der Politik tragen müsse. Strauß' Essay steht an der Spitze dieser langjährigen Kritik an linken Intellektuellen als Rollenspieler in der System-Gesellschaft. Was er darin erzielt, ist nicht ein Einklammern von Auschwitz, sondern er will, wie Adorno, das tote Wissen die Produktivität der Negation wieder gewinnen lassen. Die Literatur des Engagements ist vielleicht mit
Die Rättin schon zu ihrem Ende gekommen. Die Literatur trägt nicht mehr universale Werte wie früher und ist zu dem geworden, was sie von Anfang war: eine minoritäre Angelegenheit. Aber das bedeutet nicht ohne weiteres den Tod der Literatur.
Uwe Wittstock schlägt vor,
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