Ich habe in der vorliegenden kleinen Abhandlung versucht, die Wechselbeziehung von Form und Inhalt jedes Stückes umfassend darzulegen und das Gesamtbild der Weisschen Dramen darzustellen, die nach dem Welterfolg von
"Marat/Sade“ fast jährlich immer heftige Debatten, sei es ihrer Struktur, sei es ihres politischen Inhalts wegen, verursacht haben. Dabei habe ich das Kasperl- und Clownspiel
"Mockinpott“, das schon 1963 beinahe vollendet, dann aber erst 1968 uraufgeführt wurde, unberücksichtigt gelassen, weil ich es für ein Studienstück wie die anderen. früheren halte. Denn die Zeit, in der Peter Weiss allein aus subjektivem Material arbeitete, war erst mit der Entstehung von
"Marat/Sade“ vorüber und er hat seitdem ausschließlich historische oder konkrete Tatsachen verarbeitet.
Das
totale Theater "Marat/Sade“, das den Verfasser über Nacht weltberühmt gemacht, behandelt die von Napoleon
"betrogene Revolution.“ (Mischung von Fakten und Fiktion in einer Intermezzo-Struktur).
"Die Ermittlung“ besteht aus den Dokumenten der Frankfurter Gerichtsver-handlungen und ermittelt, was in Ausschwitz vor etwa 20 Jahren vorgegangen ist. Das Thema des
"Gesang von Lusitanischen Popanz“ und
"Vietnam-Diskurs“ ist die Notwendigkeit des Befreiungskrieges der sogenannten
"Dritten Welt“ gegen Kolonialismus und Kapitalismus; und dann kommt wieder das Thema der
"betrogenen Revolution“ im
"Trotzki im Exil“.
Bemerkenswert ist es, daß alle fünf Stücke nur die Leidenden, Ausgeplünderten, Unterdrückten und Verfolgten handein (Marat und Trotzki treten nicht als Anführer oder Machthaben, sondern als
"Sündenbock“ der Revolution), obwohl ihre historisch bedingten Situationen und Verhaltensweisen mannigfaltig und verschieiden sind. Es bedarf wohl keiner Worte, daß diese Neigung mit allen Erlebnissen und Erfahrungen eines im Jahr 1916 geborenen, emigrierten Juden, der Auschwitz seine
"Ortschaft“ nennt, in Beziehung steht.
Aber was er mit seiner gesamten Arbeit von der Welt fordert, ist weder Mitleid, noch Ausgleich, geschweige denn
"Liquidierung“.
"Er zeigt damit: Ihr wollt nicht sehen, ihr wollt nicht verstehen, was hier auf Erden geschieht.“
In seinem
"Gespräch über Dante“ läßt er A sagen,
"Dante hat für mich nur Bedeutung, wenn er mit semen Erlebnissen unmittelbar vor mir steht. Er ist aus seiner Heimatstaat Florenz verjagt. Er ist ein Landflüchtiger. Er hat ein Todesurteil über sich hängen. Er zeigt irgendwo im Exil und schreibt. Das hat Aktualität.“ Dann sagt B,
"Dante nahm an den Weltlichen Machtkämpfen teil. Er war kein Einsiedler. Er schrieb nicht im Elfenbeinturm. Er war das, was man heute einen engagierten Schreiber nennen würde. Er ergriff Partei. Er gefährdete sich politisch.“
Mit der Vollendung von
"Marat/Sade“ verließ er den sogenannten
"Dritten Standpunkt“. Er plante ein Welttheater, studierte die
"Göttliche Komödie“ und wählte sie zum Vorbild für seine dramatische Arbeit. So steht die Trilogie seiner
dokumentarischen Theater unter starken Einflüsen von
"Divina Commedia“- um nicht zu sagen, daß die wiederholten Elfer- und Dreiunddreißigzyklen, wie weitbekannt, aus der Struktur der
"Göttlichen Komödie“ stammen. Und wean ich schematisieren dürfte, möchte ich
"Lusitanischer Popanz“ und
"Vietnam-Diskurs“ sein
Purgatorio nennen gegenüber dem gegenwärtigen
Inferno
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