die Deutsche Literatur
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Hölderlin und Pindar
Versuch über die Konstruktion ihrer Hymnen
MASAFUMI TAKAGI
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1975 Volume 54 Pages 83-93

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Abstract

Es ist schon bekannt, daß Hölderlin sich die Siegesgesänge Pindars bei seiner späten Hymnendichtung zum Vorbild genommen hat. In der ersten Hälfte des Jahres 1800 hat er Pindars Werke, die unerschöpfliche Quelle der europäischen hymnischen Poesie, aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt. Aus dieser antiken Quelle strömt nun typisch Hymnisches in seine eigenen Hymnen. Die Aufgabe des folgenden Aufsatzes ist, den streng experimentierenden Charakter von Hölderlins Pindarübertragungen zu beweisen und dadurch seine fruchtbare Begegnung und Beschäftigung mit Pindar zu betrachten.
Im ersten Kapitel handelt es sich um die “harte Fügung” als hymnischen Stil, die ursprünglich Dionysius von Halicarnassus (25 v. Chr.) in seiner Schrift “De compositione verborum” bei der Analyse des Stils von den antiken Dichtern brauchte und als deren Hauptvertreter er Pindar sah_??_ Diese Terminologie “harte Fügung” wandte Nobert von Hellingrath in seinem Aufsatz auf Hölderlins späte Gedichte an. Die harte Fügung bedeutet die selbständige und strahlendfreie Wortstellung, die in den Werken der beiden Dichter häufige Appositionen, Komposita, Partizipialgruppen, Chiasmus und Inversionen der Periode etc. bilden. Erst durch diese mannigfaltig gegliederte Wortstellung kann eine Atmosphäre hoher Feierlichkeit und dithyrambischer Begeisterung innerhalb der Hymnen geschaffen werden. Vergleicht man die erste Strophe der Rheinhymne Hölderlins mit seinen Frühwerken, z. B. “dem Lied der Liebe”, das mit ganz glattem, Rhythmus gestaltet ist, so wird es klar, wie er die Entstehung und Entwicklung seines späten hymnischen Stils Pindar verdankt. Während die deutschen Romantiker (Brentano, Eichendorff etc.) mit ihren glatten, leicht fortschreitenden Rhythmen höchst musikalische, volksliedhafte Balladen und Lieder gedichtet haben, hat Hölderlin, beeinflußt von Pindar, mit seinen herben und stockenden Rhythmen die hohen, tieftonigen Hymnen gestaltet.
Im zweiten Kapitel betrachten wir Anruf und Anrede als hymnischen Stil. Auch in bezug auf Anruf und Anrede war Pindar ein Vorbild für Hölderlin. Die Parallele des Anrufs der Ortsnamen zwischen dem zehnten pythischen Siegesgesang von Pindar und Hölderlins später Hymne “Die Wanderung” ist unverkennbar. Ihre Hymnen lassen durch Namensnennungen die Städte und Landschaften als göttliche Welt der Werte hervortreten, in der sich das Individuelle, Besondere und Einmalige mit dem Allgemeinsten vereinigt. Außer dem Anruf der Ortsnamen führen wir die Anrede an Dinge an, wie beim ersten olympischen Siegesgesang, wo Pindar Wasser, Gold und die Sonne vor allem anredet, um die Olympische Spiele selbst zu preisen. Pindars Anruf ist in den meisten Fällen nicht ein darstellender, sondern ein wertender. Das gewaltige Präludium “Jetzt komme Feuer!”, das wir in Hölderlins Hymne “Der Ister” finden, ist dagegen nicht so sehr ein wertender, als vielmehr ein metaphorischer Anruf, der die Geschichtsphilosophie des Dichters ausdrückt. Hölderlins Überzeugung im Brief an Böhlendorf spiegelt sich hier wider: daß den Abendländern die “Junonische Nüchternheit”, die rationalistische Tendenz angeboren sei im Gegensatz zu den Griechen, denen “das Feuer von Himmel”, “das heilige Pathos” eigentlich sei. Die Struktur der dramatischen Anrede im achten olympischen Epinikion, wo Apollon dem Helden Aiakos prophezeit, scheint Hölderlin in seiner Hymne “Germanien” nachgeahmt zu haben. In dieser Hymne läaßt er den Adler des höchsten Vaters die Priesterin “Germanien”, die zwischen Mohn schläft, wecken und ihr Orakelspruch geben

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