die Deutsche Literatur
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Die Schlußszene in F. Raimunds Dramen
HITOSHI OKABE
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1982 Volume 68 Pages 24-33

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Abstract

Allgemein gesagt ist ein glückliches Ende das allgemeinste Charakte-ristikum der Gattung Komödie und wird daher gewöhnlich als eine stereotype Formel nicht besonders wichtig genommen. Im Grunde kann man es aber als Maßstab betrachten, der deutlich zeigt, ob, inwieweit oder unter welchen Bedingungen sich eigentlich ein Mensch in einer problematischen Umwelt am Ende mit andern versöhnen kann.
Alle Dramen Ferdinand Raimunds haben ein "Happy-End“ wie die Stücke des Alt-Wiener Volkstheaters, das von den Possen Stranitzky-Hanswursts herkommt. Einschließlich seines letzten Stücks "Der Verschwender“, dessen Held ein wenig tragisch ist, zeigen Raimunds Zauberspiele, daß es eine Versöhnung geben kann.
In Wirklichkeit aber zweifelte er selbst an dem glücklichen Ende seiner eigenen Werke. Zu "Der Verschwender“ macht er die Bemerkung: "Eigentlich mü "te er (der Held) verderben“, oder zu "Der Alpenkönig und der Menschenhaß“: "Nur einer Zauberei hat es gelingen können, mich von meinem Menschenhaß zu heilen“. Man kann zwar seine nachträglichen Bemerkungen, wenn sie auch von dem Dramatiker selbst gemacht werden, außer acht lassen, weil seine Komödien als solche in der Tat glücklich zu Ende gehen. Aber diese Bemerkungen bedeuten doch auch, daß er wenig-stens in seinem Bewußtsein schon von dem herkömmlichen Volkstheater abgewichen ist, bei dem es sich hauptsächlich um Unterhaltung für das Publikum handelt; er strebte bekanntlich immer nach höheren Dramen wie den klassizistischen des Burgtheaters und hatte eine Neigung zur Tragödie. Daraufhin interpretieren nicht wenige die Endszene seiner Komödien als nur scheinbar glücklich, als eigentlich tragisch. H. Politzer erblickt sogar in dem Helden von "Der Alpenkönig und der Menschenhaß“ eine Spur von Nihilismus.
Man kann freilich in seinen Werken und besonders in den Briefen an seine Geliebte Antonie Wagner ein melancholisches "tiefes Gefühl“ erkennen, dabei sollte man es aber nicht so überschätzen wie Politzer, der uns einen“ sensitiven modernen Raimund“ ein wenig übertreibend vorstellt und dagegen traditionelle Bestandteile in seinen Werken, z.B. Allegorie, Zauber, Feenwelt und auch das glückliche Ende als altmodisch, also formell und inhaltlos ansieht. Es ist vielmehr die schönste Leistung Raimunds, daß er sein eigenes melancholisches Gefühl mit diesen alten Formen meisterhaft zu einer Gestalt bilden konnte.
In dieser Hinsicht interessiert uns nun eine kritische Bemerkung Grill-parzers zu Raimunds erfolglosem Stück "Die unheilbringende (Zauber-) Krone“: "Das Ernste ist in Ihnen bloß bildlose Melancholie; wie Sie es nach außen darzustellen suchen, zerfließt es in unkörperliche Luft“. Diese Worte sprechen nicht nur von Raimunds gefährlicher Tendenz zur Tragik, sondern auch, wie mir scheint, von einer wesentlichen Schwierigkeit bei der dramatischen Darstellung, die bis zu unserer Zeit noch ein Problem bleibt. Denn im Drama muß alles "körperlich“-konkret ausgedrückt werden, und man hat oft Schwierigkeiten bei der Darstellung "bildlos“-abstrakter Inhalte, die ja in der neuzeitlichen Dichtung so häufig sind.
Es gelingt gerade in dieser Beziehung Raimund in "Der Alpenkönig und der Menschenhaß“ so erfolgreich, seine bildlose Melancholie zu einer Gestalt zu bilden, daß selbst Grillparzer Raimund nach dessen Tod bewundern mußte. Und man darf hier eine wichtige Funktion des traditionellen Zauber-spiels nicht übersehen, die Politzer unterschätzt.

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