die Deutsche Literatur
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Die mannigfaltige Bildung der Spruchdichtung
Frauenlob und seine Zeit
SHOJI ONO
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1986 Volume 77 Pages 12-24

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Abstract

Man kann die Frage noch nicht ganz beantworten, wie man innerhalb der Entwicklung der spätmittelalterlichen Spruchdichtung den literarhistorischen Ort Frauenlobs bestimmen soll. Man weiß nicht, ob alle diesem Dichter zugeschriebenen Strophen echt sind, denn die Zuweisung der anonym überlieferten Strophen ist nicht immer zuverlässig. Wegen des dunklen Stils kann man nicht alle Sprüche Frauenlobs verstehen. Es ist noch nicht klar, wie groß seine Gelehrsamkeit ist. Und darüberhinaus warten noch andere Fragen auf Antwort. Was hebt ihn unter den anderen zeitgenössischen Dichtern hervor? Worin bestand seine Anziehungskraft, die die Sammler der Gedichte auf ihn aufmerksam machte und seine zahlreichen Sprüche zusammentragen ließ? Aus welchem Grund schrieben sie jene anonym überlieferten Strophen diesem Dichter zu? Warum nahmen die Meistersinger ihn sich zum ehrenwerten, nachahmenswerten Vorbild? Man kann auch these Fragen noch nicht ganz beantworten. Die gegenwärtige Lage der Forschung zu Frauenlob und ebenfalls die zu den anderen zeitgenössischen Spruchdichtern ist in vieler Hinsicht noch unabgeschlossen.
Ein fahrender Säanger muß eigentlich seinen fürstlichen Patron um ein Nachtlager und eine Gabe bitten, indem er ihn durch seinen Preisspruch lobt. Frauenlob ist aber nicht in einer solchen schlechten Lage. Man hält ihn für ein frühreifes Wunderkind. Er erregt früh mit seiner Kunst und Gelehrsamkeit Aufsehen, und wird zum Virtuosen. Er schätzt Konrad als Virtuosen hoch, auch Neifen und Winterstetten und ahmt zwar ihre dekorierten Gedichte nach, aber er zielt auf die der klassischen Dichter im Hochmittelalter. Er sehnt sich danach, die größten Dichter (Morungen, Reinmar und Walther) zu übertreffen. Er ist davon fest überzeugt, daß seine große Gelehrsamkeit und der manierierte, übertriebene Stil ihm dies möglich machen. Er ist kein Revolutionär gegen die traditionelle höfische Dichtung. Im Gegenteil, er schätzt die Tradition hoch. Seine Dichtung entsteht ja aus demselben "kezzel“ wie die der höfischen Dichter in der Hohenstauferzeit. Die Themen und Stoffe, die Formen, die Art und Weise des Vortrags und das gelehrte Wissen seiner Spruchdichtung sind kaum verschieden von denen der anderen Spruchdichter, obwohl nur sein Stil, der Virtuosentum zeigt, eigentümlich ist. Wührend Konrad Gottfried als seinen Meister preist, hält Frauenlob Wolfram für seinen Meister. Der Stil Frauenlobs läßt also den des Parzivals wieder erscheinen. Er hat eine Neigung zu dunklen, schweren und übertriebenen Ausdrücken und erprobt solange zahlreiche Ausdrücke, bis die Verbindung der Wörter aufgelöst wird und die Farbe jedes Worts durchsichtig wird. Man kann den Raum seines Dichtens ein Laboratorium nennen, aus dem der Meistergesang später entstehen wird. Seine Dichtung wartet wie im Reagenzglas auf einen Kristall für eine chemische Verbindung.
Die Meistersinger des Spätmittelalters nehmen sich den dunklen Stil und die große Gelehrsamkeit Frauenlobs zum Vorbild. Dieser Dichter tritt aber niemals in direkte Beziehung zur Tätigkeit der künstlerischen Gilde, die unterschiedliche Meistergesänge schafft. Er ist stolz, die gleiche Lebensführung und Denkweise wie die größten Dichter der Hohenstauferzeit zu haben. Indem er sich ihre Kunst einverleibt, strebt er danach, sie zu übertreffen. Die Kunst Walthers, Wolframs und Reinmar von Zweters gewinnt also in der Spruchdichtung Frauenlobs wieder Leben. Die drei größten Dichter jener Zeit haben ihre große Gelehrsamkeit und mehr oder weniger ihren dunklen und virtuosen Stil und lieben die Polemik, die auf ihrem Selbstbewußtsein beruht.

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