die Deutsche Literatur
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Umgestaltung des Minnesangs
Steinmar und Hadlaub
MASAHIRO SHIMBO
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1986 Volume 77 Pages 25-36

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Abstract

Die Minnedichtung des späten 13. Jahrhunderts fällt in die Blütezeit epigonaler Dichtung. Als zwei Vertreter dieser Richtung möchte ich die Schweizer Steinmar und Hadlaub vorstellen. Steinmar, für den die Parodie ein typisches Element ist, hat zwar eine originelle Phantasie, bleibt aber doch an die Tradition und die lateinischen Urtexte gebunden. Im Gegensatz dazu steht Hadlaub, der jüngere Zeitgenosse Steinmars, dessen Gedichte mehr realen Stoff enthalten, als die irgendeines anderen mittelalterlichen Dichters und dessen Liebeslyrik nicht nur vom Volke geliebt, sondern sogar 500 Jahre später noch von Gottfried Keller hochgeschätzt wurde. Beiden Dichtern ist eigen, daß sie den lyrischen Gehalt des Minnesangs veränderten. Besonders deutlich wird der Einfluß Steinmars auf Hadlaub beim Vergleich der beiden Versionen von "Das Herbstlied“.
De Boor schreibt in seiner Literaturgeschichte: "Aber die Variationsmöglichkeiten haben ihre Grenzen, und je näher wir der Jahrhundertwende kommen, um so deutlicher wird das spürbar. In der Suche nach neuen Varianten wird die Grenze unversehens überschritten, und kleine Züge stellen sich ein, die man mit der gebotenen Vorsicht als realistisch bezeichnen könnte“ (de Boor, Helmut: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. III. Teil 1. München 1973. S. 300). In diesem Sinne darf man die Gedichte von Steinmar und Hadlaub als Zeichen eines sozialen Umbruchs, einer Wendezeit, verstehen. Ziel der vorliegenden kleinen Abhandlung ist, aufgrund der Forschungen Krywalskis und Weydts (Krywalski, Diether: Untersuchung zu Leben und Literaturgeschichtlicher Stellung des Minnesängers Steinmar. Diss. München 1966; Weydt, Günther: Johannes Hadlaub. In: GRM 21 (1933) S. 14-32) einige Eigentümlichkeiten der Darstellungsweise beider Dichter zu untersuchen.
Unter dem Namen Steinmar finden wir vierzehn Lieder in der Großen Heidelberger Liederhandschrift. Die Lieder Steinmars kann man nach Stackmann in fünf Gruppen einteilen.
1. Lieder, die den Idealen der hohen Minne folgen. Hierzu gehören: 2, 3, 6 und 13.
2. Lieder, die eine allmähliche Zersetzung des hohen Minnestils aufzeigen. Hierzu gehören: 4, 9, 10 und 12.
3. Lieder, die man als dörfliche Parodien des Minnesangs bezeichnen kann. Hierzu gehören: 7, 11 und 14.
4. Lieder, die man als dörfliche Parodien des Tageliedes bezeichnen kann. Hierzu gehören: 5 und 8.
5. Herbstlied: 1.
Die Analyse von Gruppe 2, 3 und 4 zeigt, daß die parodistischen Wendungen in den Liedern Steinmars im Ganzen gesehen unter den Einflüssen Gottfrieds von Neifen (bzw. des spätstaufischen Kreises) und der Vagantendichtung der mittelalterlichen lateinischen Literatur stehen. Das "Herbstlied“ (Gruppe 5) ist komplizierter. Krywalski zufolge besteht das "Herbstlied“ aus drei Elementen:
1. Parodistischer Sprachanlaß: da die Dame keinen Lohn bei aller Verehrung gewährt, beschließt der Dichter die Marter der Minne zu verlachen und ins "luoder“ zu treten: Strophe 1.
2. In Nachahmung zahlreicher Vorbilder der Streitgesprächsliteratur tritt Steinmar in den Dienst des Herbstes: Strophe 2.
3. Nach dem Vorbild der Martinslieder wird der Herbst gepriesen: Strophe 3 bis 5.
Die Parodie ist zwar für Steinmar ein typisches Element, aber er benutzt realistische Stoffe aus zahlreichen Traditionen in deutscher und lateinischer Literatur und stellt sie originell zusammen.
Unter dem Namen Meister Johannes Hadlaub finden wir 54 Lieder. Hadlaubs Stoffe sind von großer Mannigfaltigkeit. Es gibt Lieder Hadlaubs der hohen und der niederen Minne. Nach Weydt (Weydt: a. a. O., S. 23) unterteile ich die Lieder in zwei Gruppen unter folgenden Gesichtspunkten:

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