die Deutsche Literatur
Online ISSN : 2187-0020
Print ISSN : 0387-2831
ISSN-L : 0387-2831
Tagelieder Oswalds von Wolkenstein (Kl 20 und Kl 48)
Im Vergleich mit den sog. höfischen Tageliedern
YASUO ARIIZUMI
Author information
JOURNAL FREE ACCESS

1986 Volume 77 Pages 37-48

Details
Abstract

Diese Arbeit setzt sich zwei Ziele, nämlich einerseits den japanischen Germanisten den gegenwärtigen Forschungsstand Oswalds von Wolkenstein (=OsvW) unter europäischen Germanisten bekannt zu machen, anderseits die Eigentümlichkeit von zwei Tageliedern OsvW zu zeigen.
OvW ist heute der bekannteste deutsche Dichter des Spätmittelalters. Dieser berühmte Dichter ist aber leider japanischen Germanisten bisher fast unbekannt. Vor 20 Jahren sind zwei Lieder OsvW von Herrn Mishiro ins Japanisch übersetzt worden, aber sein Name wurde in der Folgezeit nicht besonders beachtet.
Über das Leben OsvW hat schon Herr Mishiro im Nachwort seiner Übersetzung geschrieben, so ist hier (Artikel 1) die Forschungsgeschichte OsvW in Europa im Umriß dargestellt: von der Wiederentdeckung OsvW von Hormayr über die Herausgabe neuer Texte von Klein (1962), von der Wolkenstein-Tagung (1973) und dem Wolkenstein-Symposium (1977) bis zur Gründung der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft (1980). So kann man von Artikel 1 die Forschungsgeschichte und auch den gegenwärtigen Forschungsstand über OvW ablesen.
Zu Anfang dieser Arbeit sind drei Zeilen von Kl 117 zitiert, um den Charakter OsvW zu zeigen. Er hat selber dafür gesorgt, in Wort, Ton und auch Bild der Nachwelt überliefert zu werden. Er hat, im Dienst von Kaiser Sigmund, immer für sein Werk Sorge getragen und hat für dessen Verbreitung in seiner Heimat gekämpft; er war der Mensch, der einen starken Willen zur Präsentation zeigte. Gerade dieser Wille ist ein typischer Charakterzug OsvW. Seine Angst, von der Nachwelt vergessen zu werden, ist eine Art umgekehrter Ausdruck seiner Präsentiersucht. Das wird in Artikeln 2.3 und 2.4 anhand zweier Tagelieder (Kl 20 und Kl 48) gezeigt.
Vor der Behandlung dieser Tagelieder werden anhand der Abhandlung von Jürgen Kühnel (1981) die Konstituenten der höfischen Tagelieder erwähnt, um zu zeigen, welche Möglichkeiten die Dichter damals hatten (in bezug auf Personen, Ort, Zeit).
Im Vergleich mit den höfischen Tageliedern zeigt das Tagelied Kl 20 zwei Unterschiede: 1. eine breite Naturschilderung am Anfang (15 Zeilen!), 2. eine ausführliche Darstellung der erotischen Szene beider Liebenden. In diesem Lied kann man natürlich einige in höfischen Tageliedern übliche Züge finden. Das Hauptgewicht hat OvW aber auf die Darstellung des erotischen Geschehens und nur darauf gelegt. In bezug auf die lange Naturschilderung kann man sagen: OvW hat die Absicht, seinem Publikum sein geographisches Wissen zu zeigen. Die Eigentümlichkeit des Liedes Kl 48 liegt darin, daß die Züge Neidharts in dasselbe einbezogen sind: die Benennung der Personen und der streitartige Dialog zwischen Bäuerin und Bauernmädchen. Das ist bei Neidhart üblich.
Diese drei in höfischen Tageliedern sonst nicht vorkommenden, überraschenden Darstellungsweisen hat OvW benutzt, damit das Publikum OvW und dessen Werk nie vergißt. Gerade diese überraschenden Darstellungsweisen, scheint mir, zeigen deutlich seinen Willen zur Präsentation.

Content from these authors
© Japanische Gesellschaft fur Germanistik
Previous article Next article
feedback
Top