die Deutsche Literatur
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Neithartstanz
Die Neidhartspiele im 14. und 15. Jahrhundert
SUMIE KOTAKE
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1986 Volume 77 Pages 49-59

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Abstract

Herr Neidhart-nicht der Minnesänger des 13. Jahrhunderts, sondern ein Held des späten Mittelalters, der sich immer wieder die Bauern zum Feind macht und den Betrug an ihnen als einen Akt von ritterlicher Ehre auffaßt, ist eine Schwankfigur, die im Laufe des Überlieferungsprozesses der Neidhartlieder erdichtet wurde. Seine Fabeln waren sehr bekannt und beliebt bis über das 15. Jahrhundert hinaus. Der "Veilchenschwank“, der unter allen Neidhartfabeln den größten Anklang gefunden hat, ist nicht nur episch, sondern auch dramatisch bearbeitet worden. Die fünf uns überlieferten Neidhartspiele unterscheiden sich natürlich in Einzelheiten voneinander, sind alle jedoch darin ähnlich, daß sie die Veilchenepisode als Hauptthema behandeln.
Im 15. Jahrhundert hat man das Neidhartspiel, obgleich es auch in der Fastnacht aufgeführt wurde, von allen anderen Fastnachtspielen unterschieden und "Neithartstanz“ genannt, nicht "vasnachtspil“. Die Neidhartspiele nehmen eine Sonderstellung in der dramatischen Überlieferung des späten Mittelalters ein. Zunächst hatten sie, basierend auf dem Veilchenschwank und später noch andere Schwänke hinzufügend, zwischen den geistlichen Spielen (=in bezug auf die Aufführungsformen) und den weltlichen Spielen (=in bezug auf die Inhalte) gestanden, bis am Ende des 15. Jahrhunderts das Kleine Neidhartspiel als unzweifelhaftes Fastnachtspiel entstand.
Der "Tanz“, den als Fundamentalstoff die Originallieder nicht entbehren können, bildet auch hier in den Spielversionen den Kern der Veilchenepisode, die aus folgenden drei Komplexen besteht: 1. die Maienfreude und die Suche nach dem Veiol; 2. der Veilchenraub; 3. Neidharts Rache an den Bauern. Im ersten Komplex ist zunachst eine "höfische“ Welt geschildert, wo die Damen und anderen Hofleute sich über das Maienherkommen freuen und miteinander tanzen (in Analogie zum Natureingangs- und Reienmotiv in den Sommerliedern). Aber keineswegs auf Originallieder bezieht sich die folgende Situation, in der Herr Neidhart sich auf die Bitte der Herzogin hin aufmacht, um den ersten Veiol im Mai ausfindig zu machen. Hier spielt der "Tanz-Reien“ eine bedeutende Rolle, so wird im Großen Neidhartspiel nach der Veilchenszene, einschließlich der vorangehenden Reienszene, acht Male getanzt. Der dritte Komplex, Neidharts Rache, beruht auf der Bauernfeindlichkeit, die sich aus den Dörperstrophen in den Winterliedern entwickelt hat und bei Neidhart neben dem Tanz zum wichtigsten Faktor wurde.
Im Gegensatz zu den beiden aus den Originalliedern stammenden Komplexen können wir den zweiten, den Veilchenraub, als einen ganz neuen, mit Komischem gewürzten Faktor auffassen. Dieser Raub scheint uns dennoch an einen anderen zu erinnern: an den bei Neidhart als häufig wiederkehrendes Motiv dargestellten Spiegelraub. Veiol und Spiegel haben eine besondere Funktion! Der Veiol gehört sowohl dem "höfischen“ Umkreis an und wird mit der vrowenminne identifiziert, wie auch der Spiegel das Symbol der höheren Welt und zugleich der Jungfräulichkeit ist. Der üppicliche dörper hat Vriderûn den ihr von Neidhart gegebenen Spiegel zertrümmert und zerschlagen./Der Veiol, den er seiner edelen vrowe schenken wollte, wurde von dem groben Bauern zerpflückt und gegen Dreck ausgetauscht. Während im St. Pauler Neidhartspiel von diesem Austausch noch nichts erwähnt wird, wird dagegen im Großen Neidhartspiel, im Sterzinger Neidhartspiel und Neidhartszenar die Lust am Fäkalischen immer deutlicher und konkreter.
Mit dem in den Vordergrund des Spiels tretenden Fäkalmotiv, hat das Bauernbild sich allmählich verändert. Im Großen Neidhartspiel,

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