die Deutsche Literatur
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Volksüberlieferung und Offenbarung der Natur bei Paracelsus
YUZO OKABE
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1991 Volume 86 Pages 35-46

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Abstract
In dieser Arbeit geht es nicht darum, die im Volk mündlich überlieferten Sagen oder Legenden über Paracelsus (um 1493-1541) zu untersuchen, sondern zu verfolgen, wie der Volksglaube in die hermetisch-kabbalistisch-pansophische Lehre des Reformators der Medizin eingegliedert worden ist. Daß in der paracelsischen Naturforschung die Vorstellung vom "Licht der Natur“ eine besondere Rolle spielt, ist von großer Bedeutung, da sie der modernen europäischen Mystik die neue Bahn brach, nicht nur durch unmittelbare Erleuchtung, sondern vielmehr durch die Erforschung der Geheimnisse in der Natur die Offenbarung Gottes zu erreichen.
Was Paracelsus' Darstellung der Heilpflanzen betrifft, erhält man den Eindruck, als ob er einfach pharmakologisch beschriebe, für welche Krankheiten jedes Kraut zu verwenden und in welcher Weise die Arznei daraus herzustellen sei. Wenn man aber seine Beschreibung auf den Kontext der Volksmedizin zurückbezieht, läßt sich feststellen, daß er aus der Welt der Volksüberlieferung sehr viel aufnimmt und nicht unkritisch seiner medizinischen Anschauung einverleibt. Wenn er z.B. bei dem Johanniskraut, der Pflanze der Sommersonnenwende, neben der wund- und schmerzstillenden Wirkung auch die Austreibung der Gespenster und bösen Geister erwähnt, übernimmt er zweifellos den Gebrauch der Kräutersammlung zum Johannistag und die Volksheilkunde zu diesem Kraut.
Nach Paracelsus ist die Natur das zweite Buch der göttlichen Offenbarung, in dem wie in der Bibel der Wille Gottes abzulesen ist. Das Buch der Natur ist mit jedem natürlichen Ding geschrieben, aus dessen äußerer Form und Gestalt innere verborgene Eigenschaften und Kräfte entziffert werden können und sollen. Pflanzensignaturen, die unter dem Volk als uralte Weisheit überliefert sind, geben dem Menschen einen Fingerzeig, daß das betreffende Kraut für ihn ein spezifisches Heilmittel ist. Dic porenähnliche Durchlöcherung in den Blättern des Johanniskrautes ist ein Zeichen dafür, daß es für alle offenen Stellen der Haut wirksam ist. Daß seine Blüten sich zu etwas Blutähnlichem putrefizieren, bedeutet, daß es für Wunden heilsam ist. Merkwürdigerweise erwähnt Paracelsus zwei verschiedene Lebenselixiere, die aus den Blättern der schwarzen Nieswurz, dem Kraut der Wintersonnenwende, hergestellt werden. Aus welcher Überlieferung und Signatur er diese Idee herleitete, ist bis heute ungeklärt.
Paracelsus' Buch "Liber de Nymphis…“ ist indessen eine ganz neue Quelle für das Märchen geworden, deren Einfluß bis ins 20. Jh. nachgewiesen werden kann. Die Feen als Elementargeister, die in den vier Elementen ihre Wohnung nehmen, sind nach Paracelsus keine Teufel, sondern Zwischenwesen, die dem Menschen ähneln, aber keine Seele besitzen und nur in ihrem Element überleben können. Dichter des 19. Jh. wie z.B. Fouqué interessierten sich dafür, wie z.B. die Nymphe Undine durch Vermählung mit einem Ritter eine menschliche Seele erwarb und sie durch die Untreue ihres Mannes wieder verlor. Aber was Paracelsus eigentlich behaupten wollte, ist vielmehr, daß es in der Welt menschenähnliche Lebewesen gibt, die nicht von Adam abstammen und deren Leiber viel subtiler sind als die menschlichen.
Im Mittelpunkt der Mystik wie der Devotio moderna oder des Pietismus steht die Seele als inneres Weltall, in dem die Vereinigung mit Gott vollbracht wird. Dagegen geht es bei Paracelsus nicht um die Vernichtung einer äußeren Wirklichkeit zugunsten einer inneren,
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