In zwei Briefen an seinen Freund Böhlendorff stellt Hölderlin einen Vergleich zwischen der Antike und der Moderne an. Er definiert die griechische Antike als
"das Fremde“ und sucht nach einer Möglichkeit, ob die moderne Kultur als
"das Eigene“ entstehen kann. Dies bedeutet, daß Hölderlin darauf verzichtete, die Antike als Basis und Ausgangpunkt für eine moderne abendländische Kultur zu akzeptieren und durch die Nachahmung griechischer Kultur die moderne Kultur zu bilden. Aus dieser radikalen Entsagung entsteht der positive Wille, Keime einer neuen
"vaterländischen“ Kultur aufzuspüren und zu pflegen. Ganz im Zeichen der
"vaterländischen Kunstform“ entstanden dann die sogenannten
"vaterländischen Gesänge“, d.h. späte Hymnen. Diese
"vaterländische Form“ ist keine in sich vollendete, sondern eine
"immerneu“ geschaffene und zu erschaffende Form.
"Welches immer ist“ stellt sich im Zeitalter der
"vaterländischen“ Kultur nur
"im Untergange oder im Moment“ dar, indem das Werden-und-Vergehen im wechselhaften Ablauf des zeitgenössischen Alltags ununterbrochen im Strom der Zeit aufeinanderfolgt. In Hölderlins diesbezüglichen künstlerischen Versuchen ist seine Forderung erkennbar, daß der moderne Dichter die Dichtung als ein eigenes sprachliches Kunstwerk betrachten und gestalten soll.
Diese
"vaterländische“ Kultur weist etliche Gemeinsamkeiten mit Fr. Schlegels
"progressiver Universalpoesie“ auf. Schlegel postulierte seine
"romantische Poesie“ als eine selbständige moderne Poesie. Sie
"ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann.“ Er behauptet, daß die moderne Poesie ein konstruktives Prinzip der
"modernen ästhetischen Bildung“ haben und dieses Prinzip ein anderes als das der
"antiken ästhetischen Bildung“ sein soll; diese stellt
"das Objekive, das Allgemeine“ dar und jene
"das Subjektive, das Einzelne“. Die Eigentümlichkeiten beider Poesien stehen im schroffen Gegensatz und jede hat ihren eigenen Wert. Überdies sieht Schlegel die
"romantische Poesie“ als
"die einzige, die mehr als Art und gleichsam die Dichtkunst selbst ist“ an.
Aber den modernen Eigenwert kann man nicht bestimmen, indem man sich autistisch nur auf die Moderne konzentriert. Denn
"je aufinerksamer man (aber) die ganze Masse der modernen Poesie selbst betrachtet, je mehr erscheint auch sie als das bloße Stück eines Ganzen.“ Man muß
"ihre Einheit also (sogar) jenseits ihrer Grenzen aufsuchen.“
Es lassen sich jedoch zwischen Hölderlin und Schlegel einige wesentliche Unterschiede feststellen: Zum einen jagt Schlegel der modernen Poesie als Fragment nach und es gelingt ihm auch, den fragmentarischen Charakter der Moderne fragmentarisch zu beweisen. Auf der anderen Seite will Hölderlin das Universum nicht als Ansammlung eines bruchstückhaften Mikrokosmos verstehen, sondern er versucht in seinen großartigen Hymnen einen an und für sich all-einheitlichen Makrokosmos entstehen zu lassen.
Die poetische Realisierung der späten Hymnen Hölderlins bildet jedoch die durch seine Pindar-Übersetzung erneute deutsche Sprache, die sich nun in ein verdichtetes, abgeschlossenes System verändert. Solche sprachliche Konstruktionen, unzählige Zusammensetzungen und übermäßiges Betonen des autonomen Charakters der Perioden, bringen das den Hymnen innewohnende bruchstückhafte (fragmentarische) Wesen an den Tag,
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