Benjamins Essay
"Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ hat die kühne Absicht, eine neue Ästhetik des Materialismus aufzustellen. So lehnt er eine Anzahl überkommener Begriffe ab, wie Schöpfertum und Genialität, Ewigkeitswert und Geheimnis. Später trennt er sich auch von dem Begriff der Schönheit. Er sagt, die Rezeption von Kunstwerken erfolge mit verschiedenen Akzenten, unter denen sich zwei polare herausheben würden. Der eine liege auf dem Kultwert, der andere auf dem Ausstellungswert des Kunstwerkes. Diese Polarität könne in der Ästhetik des Idealismus, dessen Begriff der Schönheit sie im Grunde als ein untrennbares Ganzes umschließe, demgemäß als eine in zwei Pole trennbare ausschließe, nicht zu ihrem Rechte gelangen.
Mittels dieser Polarisation kommt Benjamin zu folgendem Schluß: in der Urzeit sei das Kunstwerk durch das absolute Gewicht, das auf seinem Kultwert gelegen habe, in erster Linie zu einem Instrument der Magie geworden, das man als Kunstwerk gewissermaßen erst später erkannt habe. So werde heute das Kunstwerk durch das absolute Gewicht, das auf seinem Ausstellungswert liege, zu einem Gebilde mit ganz neuen Funktionen, von denen die uns bewußte, die künstlerische, als diejenige sich abhebe, die man später als eine beiläufige erkennen möge. Nach seiner Behauptung bestimme der Übergang von der ersten Art der künstlerischen Rezeption zur zweiten den geschichtlichen Verlauf der künstlerischen Rezeption überhaupt: Und es sei nichts anderes als die Reproduktionstechnik, die diesen Übergang unterstütze.
Benjamin faßte als erster die Technik als Medium auf. In allen Künsten gebe es einen physischen Teil, der sich nicht länger den Einwirkungen der modernen Wissenschaft entziehen könne. Benjamins Ästhetik ist deshalb neu, weil er diesen physischen Teil als Medium behandelt. Aber im
"Kunstwerk“ handelt es sich nicht um die Medien in der Literatur, sondern um die in der bildenden Kunst. Sein CURRICULUM VITAE <VI>, das er wahrscheinlich im Jahre 1940 schrieb, sagt, sein
"Kunstwerk“ suche bestimmte Kunstformen, insbesondere den Film, aus dem Funktionswechsel zu verstehen, dem die Kunst insgesamt im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung unterworfen sei. Einer analogen Problemstellung auf literarischem Gebiet gehe sein Aufsatz
"Der Erzähler“ nach. Trotz dieser seiner eigenen Behauptung entwickelt sich meiner Meinung nach das Problem des Funktionswechsels im
"Erzäahler“ nicht so sehr, Wie im
"Kunstwerk“. In dieser Hinsicht gelangt auch Benjamin an die Grenzen seiner Generation. Der Funktionswechsel auf literarischem Gebiet, den er in den dreißiger Jahren erfahren hatte, war nur, die Literarisierung der Lebensverhältnisse‘ in der sowjetrussischen Presse.
Im
"Erzähler“ sagt er, das Erzählen als eine Form menschlicher Mitteilung habe sich im Laufe der Jahrhunderttausende herausgebildet. Aber das früheste Anzeichen eines Prozesses, an dessen Abschluß der Niedergang des Erzählens stehe, sei das Aufkommen des Romans zu Beginn der Neuzeit. Weiters entwickle sich eine andere Form der Mitteilung, die Presse. Sie trete dem Erzählen nicht weniger fremd, viel bedrohlicher als der Roman gegenüber. Was sie mitteile, entarte in, Information‘. Sie sei der Schauplatz der hemmungslosen Erniedrigung des Wortes, auf welchem sich jedoch seine Rettung vorbereite. In der sowjetrussischen Presse nämlich sei der Lesende jederzeit bereit, ein Schreibender zu wer den. Darin komme die Arbeit selbst zu Wort. Benjamin nennt diesen utopischen Prozeß, die Literarisierung der Lebensverhältnisse‘.
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