In den „Philosophischen Briefen“ (1786) stellt Friedrich Schiller den Gang der „grübelnden Vernunft“ in Form des Briefwechsels zweier Jungen dar. In einem Brief beschreibt der eine, genannt Julius, rückblickend seine Kindheit, als er noch ein „guter Sohn [s]eines Hauses“, „ein nützliches Glied der Gesellschaft“, kurz ein „Gefangener“ war. Die „Grenzen [s]eines väterlichen Horizonts“ wurden aber bald kraft des autonomen Denkens überschritten, und er fühle sich nun in der „unermeßliche[n] Freie“ in einen „Bürger des Universums“ verwandelt. In dieser „stolzen Begeisterung“ verfasst er einen theosophischen Versuch, in dem er die Welt sowohl mit dem Gott gleichgesetzt als auch in Gott vereinigt sieht. Eine solche pantheistische Sicht liefert ihm noch ein optisches Weltbild: Die Welt sei ein prismatisches Glas, in dem sich das Licht als „das göttliche Ich in zahllose empfindende Substanzen gebrochen“ habe. Dem weltimmanent scheinenden Göttlichen stellt sich jedoch eine „Allmacht“ gegenüber, die einst das „Prisma“ zerschlagen werde: „so stürzte der Damm zwischen ihr und der Welt ein, alle Geister würden in einem Unendlichen untergehen“. Der „Damm“ gilt hier als die onthologisch-theologische Grenze, die sich um die diesseitige Welt zieht, außerhalb derer sich das „Unendliche“, der Gott, wie auch es heißen mag, etwas Transzendentes befindet. Hieraus ergibt sich ein zwiespältiges Weltbild. Obwohl Julius erst die göttlich vereinigte Welt feiern konnte, indem er den „väterlichen Horizont“ verlassen hat, muß er doch bald eine unsichtbare Grenze und somit ein dahinter Verborgenes ahnen, das diese Welt mit der Vernichtung bedroht. Nun könnte man also sagen: Mit dem Gleichnis vom Zerschlagen des „Damms“ ist ohne diesen Begriff aber der Sache nach vom Ende der Welt, vom Eschaton die Rede.
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