Der vorliegende Aufsatz befasst sich mit dem wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Japan an der Wende zum 20. Jahrhundert, und zwar im Hinblick auf Karl Florenz’ (1865–1939)
Geschichte der japanischen Litteratur (1906). Der Begründer der japanischen Germanistik in Tokyo sowie der deutschen Japanologie in Hamburg scheint die von seinen japanischen Studenten und Kollegen der Kaiserlichen Universität vermittelten Kenntnisse über japanische Literatur in ein damals bekanntes Schema der deutschen Literaturgeschichtsschreibung eingeordnet zu haben. Meine These lautet somit, dass seine japanische Literaturgeschichte ein hybrides Produkt der deutschen und der japanischen Tradition der Literaturforschung darstellt. Nach einer Definition des Schlüsselbegriffs „Hybridität“ stellt dieser Aufsatz Florenz’Literaturgeschichte im Vergleich mit Wilhelm Scherers (1841–1886)
Geschichte der deutschen Litteratur (1883) vor. Mit Perspektive auf die parallele Herausbildung der Nationalliteratur zwischen der deutschen und der japanischen Tradition gehe ich auf Florenz’ Einschätzung des
Manyōshū, der ältesten japanischen Gedichtsammlung aus dem 8. Jahrhundert, ein. Die Textanalyse wird Florenz’ analogisches Denken zur hybriden Literaturgeschichtsschreibung klarmachen, wobei es um seine Erkenntnisse über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Traditionen geht.
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