In der Semiotik stellt die Pragmatik denjenigen Bereich dar, der das Verhältnis von Zeichen und Zeichenbenutzer behandelt. Die linguistische Pragmatik umfaßt ein weites Feld, das von der Sprechakttheorie und den Konversationsmaximen von Grice bis zu modelltheoretischen Überlegungen reicht. Hier sollen am Beispiel von Fragesätzen und Fragehandlungen einige Aspekte der pragmatisch orientierten Sprachanalyse dargestellt werden.
Fragehandlungen können, in Anlehnung an Searle, alsverbale Handlungen verstanden werden, durch die der Sprecher den Angesprochenen um Lösung eines Wissensproblems bittet. Fragesätze bieten die formale Möglichkeit, mit der these Handlung vollzogen werden kann. Beim Vollzug der Fragehandlung wählt der Sprecher eine Form der Fragesätze aus, die ihm für seinen Zweck als am meisten geeignet erscheint. Hierbei werden im Normalfall die Konversationsmaximen von Grice eingehalten. Diese Maximen gelten ebenfalls für die Antwort, die der Angesprochene auf die Frage gibt.
Nun kann die logisch-semantische Struktur des Fragesatzes als Menge möglicher Antworten aufgefaßt werden. Eine Frage verursacht eine Situation, in der aus einer Menge von Propositionen, die die Menge der möglichen Antworten darstellt, die wahre Proposition ausgewählt werden soll. Die Entscheidungsfrage stellt die Menge von positiver und negativer Antwort dar und die Ergänzungsfrage listet die Menge aller möglichen Antworten auf.
(1) und (2) lassen sich jedoch nicht einfach durch dieses Schema erklären.
(1) Weißt du, wann der letzte Zug nach Köln geht? Nein/*
Ja
/
Ja
, genau um zehn/Um zehn.
(2) Weißt du, ob noch jerrand mitfährt? Nein/*
Ja
/
Ja
, Peter/?Peter.
a) Beide Fragen lassen als Antwort ein einfaches
"Nein“ zu, aber kein einfaches
"Ja“, obwohl sic die Form einer Entscheidungsfrage haben.
b) Sowohl (1) als auch (2) lassen
"Ja, genau um zehn“ und
"Ja, Peter“ zu, was gegen die Kategorie der Quantität von Grice verstößt.
c) (1) läßt, obwohl Entscheidungsfrage, die Antwort
"Um zehn“ zu, die eigentlich eine Antwort auf eine Ergänzungsfrage sein sollte.
Kiefer (1978) will c) dadurch erklären, daß (1) als eine Ergänzungsfrage in Form von (3) verstanden wird. Den Grund dafür sieht er in der Höflichkeit,
"it is more polite to ask whether somebody knows something than what somebody knows“(114). Hierbei übersieht er aber, daß (1) und (2) jeweils die Struktur (1') und (2') aufweisen.
(1') {wissen-Entscheidungsfrage (Ergänzungsfrage)}
(2') {wissen-Entscheidungsfrage (jemand-Entscheidungsfrage)}
Die Tatsache, daß (1) eine in eine Entscheidungsfrage eingebettete Ergänzungsfrage ist und (2) eine in eine Entscheidungsfrage eingebettete Existenz-Entscheidungsfrage, erklärt nicht nur, warum (1) mit
"Um zehn“ beantwortet werden kann, sondern auch, warum auf (2) die Antwort
"Peter“ fragwurdig ist. Außerdem liefern diese Strukturen auch Erklärungs-möglichkeiten für a) und b).
Ein Grund für Kiefer, (1) als eine indirekte Ergänzungsfrage zu interpretieren, liegt in der starken Anziehungskraft der
indirekten Sprechakte. Dieses Problem wird zuletzt noch kurz angesprochen.
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