Als die emigrierten deutschen Schriftsteller im Jahre 1937 in ihrem Monatsheft
"Das Wort“ die Probleme des Expressionismus zu erörtern begannen, stand vor ihnen eine ganze Reihe von Schwierigkeiten und Verwirrungen. Inmitten der Kämpfe mit dem Faschismus und um die Zukunft des Sozialismus zu diskurrieren über
"Groöße und Verfall des Expressionismus“ (so lautet ein Aufsatz Lukács', der schon 1933 geschrieben wurde und jetzt in der Diskussion als Unterlage für das negative Urteil über diese künstlerische Richtung wirkte), bedeutete nichts anderes als den schweren Versuch, die expressionistischen Formexperimente im Verhältnis zum Begriff des Realismus zu erklären, das Erbe eines vergangenen Kunstbestrebens in die antifaschistische und sozialistische Kunst und Literatur aufzunehmen, und darüberhinaus die Avantgarde der Kunst mit der der revolutionären Bewegung sowohl theoretisch als auch praktisch zu vereinigen.
Im Laufe der Diskussion, die die Redaktion des
"Wortes“
Expressionismusdebatte nannte, bekannten sich nicht wenige Diskussionsteilnehmer zur revolutionären Intention und der radikal neuen Anschauungs- und Ausdrucksweise der Expressionisten. Nur einige, unter anderen Bernhard Ziegler (Alfred Kurella), dessen, Angriff auf Gottfried Benn (
"Nun ist dies Erbe zuende…“ In: Das Wort. 1937, Heft 9. S. 42-49) der Beginn der Debatte war, und Georg Lukács, der sich damals als einer der führenden Theoretiker der sozialistischen Literatur zeigte, behaupteten energisch, daß der Expressionismus nur eine scheinradikale Opposition auf der Grundlage des Kleinbürgertums sei, daß die antifaschistische Literatur keineswegs seine Erbschaft antreten solle. Die Expressionisten, nach Lukács, sehen nur die oberflächlichen Erscheinungen des Lebens, sie begreifen niemals
die objektive Totalität der Wirklichkeit. Sie seien also keine Realisten.
Gegen diese Verurteilung verteidigte den Expressionismus am leidenschaftlichsten Ernst Bloch. Er widersprach dem Lukács'schen Realismusbegriff, der nur Kunstwerke, in denen die Wirklichkeit vermittelt und breit
widerspiegelt ist, für realistisch hielt. Bloch sah in den Momenten, die dem Expressionismus von Lukács als Dekadenz vorgeworfen wurden, eben die Bestrebungen, die bestehende kapitalistische Ordnung zu zersplittern; für ihn war die künstlerische
Montage ein radikaler Versuch, die alte Wirklichkeit zu zerteilen und einen neuen, zwar noch nicht existierenden, aber in der kommenden Gesellschaft zu verwirklichenden Zusammenhang vorwegzunehmen. Dagegen bedeutete sie für Lukács nichts anderes als eine Spielerei rein formalistischer Art.
Der Gegensatz zwischen den beiden Theoretikern besteht also darin, daß Lukács stets von Künstlern fordert, nicht auf der Stufe der Unmittelbarkeit stehenzubleiben, sondern sich der objektiven Wirklichkeit klar bewußt zu werden und sie als ein Ganzes, als eine Totalität zu gestalten, während Bloch die vorliegende Wirklichkeit durchaus als einen Übergang ansieht und die Funktion der Kunstwerke, in sich eine
Utopie anzudeuten, betonen will. Lukács sucht den Ausweg zur humanistischen Zukunft in der kritischen Bewußtheit des totalen Zusammenhangs des Heute; Bloch beschäftigt sich unmittelbar mit dem Bereich des utopischen Morgen und lehnt von der Zukunft her die kapitalistische Gegenwart ab. Sie zielten also beide, wenn auch auf ganz verschiedenen Wegen, wenigstens ihrer subjektiven Ansicht nach, auf eine Klarstellung der Rolle und Stelle der Kunst und Literatur in der revolutionären Bewegung.
Daß sie aber ihre Diskussion mitten im antifaschistischen Kampf führten und daß ihre Thema gerade der Expressionismus war,
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