Wir sind aus solchem Zeug, wie das zu Träumen,
Und Träume schlagen so die Augen auf
Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,
Aus deren Krone den blaßgoldnen Lauf
Der Vollmond anhebt durch die große Nacht.
...Nicht anders tauchen unsre Träume auf,
Sind da und leben wie ein Kind, das lacht,
Nicht minder groß im Auf- und Niederschweben
Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht.
Das Innerste ist offen ihrem Weben,
Wie Geisterhände in versperrtem Raum
Sind sie in uns und haben immer Leben.
Und drei sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein Traum.
Das vorliegende Gedicht Hugo von Hofmannsthals ist die dritte jener «Terzinen», die im Juli 1894 geschrieben wurden. Sein Thema ist Traum oder der magische Zustand des Traumes. Rudolf Kassner hat einmal gesagt: Hofmannsthal sei einer der größten unter den Traumdichtern der Welt. Er hat sich als solcher auch in dieser Terzine bestätigt. Sie beginnt mit einem Vergleich: “Wir sind aus solchem Zeug, wie das zu Träumen.” Nun ist dieser Satz die wörtliche Übersetzung eines Verses aus Shakespeares «Sturm» (We are such stuff as dreams are made on. Akt. IV, Sz. I) und beschwört jenen magischen Zustand, in dem Leben und Traum eines sind.
In den folgenden zwei Strophen dann werden die Träume einerseits mit den kleinen Kindern unter Kirschenbäumen und anderseits mit dem “blaßgoldnen Lauf” des Vollmonds aus der Krone derselben Kirschenbäume durch die große Nacht verglichen.
Dieser Traum-Kind-Mond-Vergleich wird in der dritten Strophe noch einmal wiederholt und erweitert. Obgleich in der letzten Strophe eine direkte, etwas abstrakte Aussage über Träume gemacht ist, treten wir mit der Schlußzeile dieser Terzine wieder in die Zauberwelt der Allverbundenheit ein. Kurz: In diesem Gedicht ist der magische Zustand des Traumes oder die Einheit von Mensch, Ding und Traum so schön wie noch nie in der deutschen Dichtung dargestellt.
Noch eine Bemerkung sei hier gemacht: Die Gestalt der Terzine mit der Wiederholung der mittleren Zeile jeder Strophe als Anfang der folgenden (der Reim läuft: aba bcb cdc ded...) stellt ein endloses Geflecht dar und verdeutlicht das Ineinandergeflochten-Sein von Leben und Traum hier besonders gut.
Die Wiederholung des gleichen Vokals an bestimmten Ton- und Akzentstellen (Assonanzen) besonders in der ersten und zweiten Strophe (äu, au, i, o...), die scharfe Gegenüberstellung bestimmter Vokalreihen, die Wiederholung des gleichen Konsonanten (Alliteration) in der dritten Zeile der ersten Strophe (Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen). Alle diese Bindungen stellen hier zusammen eine wunderbare Klangsymbolik dar, die mit dem Inhalt dieses Gedichts ganz im Einklang steht.
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