Nach Hermann Broch ist die Gegenwart die Zeit des Wertzerfalls. Denn im Mittelalter gab es ein einheitliches Wertzentrum, das Christentum, und alle anderen Werte ordneten sich ihm unter, aber unter dem Einfluss der Renaissance und Reformation kam es zum Zerfall dieser Ordnung, und in der Gegenwart sind die Wertgebiete voneinander isoliert. Jedes Wertgebiet, das sich vom Wertzentrum abgelost hat und autonom geworden ist, bemuht sich, mit aller Radikalitat seiner Logik die letzten Konsequenzen zu ziehen. Als Folge davon ist die Literatur auch asthetizistisch geworden. Aber Broch hielt eine Literatur solcher Art fur Unkunst, weil er meinte, ihre Daseinsberechtigung liege darin, dass sie den metapysichen Weltrest, den man allein mit der rationalen Erkenntnis nicht erreichen konne, erfasse, um alle Teilweltbilder zu einem Gesamtweltbild wieder zu vereinigen. Sein Roman "Der Tod des Vergil" ist ein Werk, in dem er diese ethische Aufgabe der Literatur in die Praxis umsetzte. Aber hier entsteht eine Aporie. Denn wie oben erwahnt, kritisierte er die Situation des Wertzerfalls als die "Folge" der Moderne, aber der Subjektivismus, mit dem er sie zu uberwinden trachtete, ist ihr "Prinzip". Er versuchte in diesem Werk einen einheitlichen Raum, der sich auf dem metaphsischen Weltrest grunder, au offnen, um in der verwirten Zeit des wertzerflls zum Wiederaufbau des Zentralwertes beizutragen und den Leser von der Todesangst zu befreien. Aber die "musikalische" Schoheit, die der Lese dabei fuhlt, ist nur scheinbar, weil die orstellung von der Stimme, die sie bringt, gerade der Grund des Subjektivismus ist. Diese Aporie ist fue die Philosophie der Moderne charakteristisch. Die Moglichkeit dieses Romans als ein avantgardistisches Werk im 20. Jahrhundert wird also in den letzten drei Seiten gefunden. Denn dort ist ein Riss zwischen dem "Horen" und dem "Sehen" dargestellt, und gerade als Vertil "das Wort sehen" kann, wird es klar, dass es unaussprechbar, also Wunhorbar", ist. Broch stellte dort als echte Dichter, nicht als "poeta-doctus", die Aporie der Moderne selbst dar. Er war doch "Dichter", auch wenn er es "wider Willen" war.
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