Im Jahr 1812 hörte Schopenhauer an der Universität Berlin Schleiermachers Vorlesung mit dem Titel ,,Geschichte der Philosophie zur Zeit des Christentums“. Seine Nachschrift dieser Vorlesung ist sehr bemerkenswert, denn sie enthält nicht nur Aufzeichnungen des Inhalts der Vorlesung, sondern auch kritische Kommentare zu Schleiermacher und seine eigenen Gedanken über Philosophie und Religion. In der Vorlesung erklärt Schleiermacher, dass die Philosophie das Wissen von Gott mit der Religion gemein hat und die Transzendentalphilosophie auf das Erkennen Gottes (des Absoluten) als letztem Grund des Wissens abzielt, aber Schopenhauer widerspricht dem in seinen Kommentaren heftig und bringt seine Meinung zum Ausdruck. Darüber hinaus können wir in dieser Nachschrift und in Schopenhauers Dissertation ,,
Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ (1813), die er im folgenden Jahr verfasste, mehrere wichtige Konzepte finden, die vor dem Hintergrund dieser Kritiken an Schleiermacher den Kern seiner späteren Philosophie bilden sollten. Mit anderen Worten, es handelt sich um die frühen Gedanken wie ,,der wahre Kritizismus“ und ,,das bessere Bewusstsein“, die die Vorläufer der Lehre von der ,,Verneinung des Willens“ in Schopenhauers Hauptwerk ,,
Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1819) sind. Es kann also festgestellt werden, dass die gedankliche Entwicklung des jungen Schopenhauers, die in der Auseinandersetzung mit dem groβen Theologen und Religionsführer Schleiermacher gefördert wurde, für die spätere Bildung seiner Philosophie sehr fruchtbar war.
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