die Deutsche Literatur
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Volume 39
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  • HACHIRO YAMAZAKI
    1967 Volume 39 Pages 1-10,129
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    1) Franz Mehring war eher Historiker als Literaturforscher. Trotzdem aber läßt sich seine Arbeit auf dem Gebiet der Literatur nicht als bloß dilettantisch oder seiner Geschichtsforschung untergeordnet abtun. Dazu hat er uns zu viele wichtige literarische Probleme aufgezeigt. Er hat auf dem Gebiet der Literaturgeschichte große Verdienste, und war ins besondere in der Entwicklung der materialistischen Ästhetik epochemachend. Mehring vertritt bekanntlich die materialistische Geschichtsauffassung. Er sieht in der deutschen Geschichte heftige Klassengegensätze und untersucht alle wesentlichen sozialen Erscheinungen vom Standpunkt des Klassenkampfes aus. So erfaßt er auch die einzelnen Dichter unter dem Gesichtspunkt ihres Klassenbewußtseins.
    In der Neuzeit hat wohl kein anderer Staat unter so großen inneren Gegensätzen gelitten wie Deutschland. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erreichten sie ihren Höhepunkt. Thomas Mann beschreibt sie in seiner Rede “Deutschland und die Deutschen” als den deutschen Dualismus, den er bis auf Martin Luther zurückverfolgt. Mehring sucht, als Sozialist vor der ersten deutschen Katastrophe, den Ursprung dieses deutschen Dualismus in der preußischen Geschichte, in der Geschichte des preußischen Militarismus. Zugleich will er die vom preußischen Patriotismus entstellten Klassiker aus den Händen der Gegenseite retten. Erst dadurch erhält, seiner Meinung nach, der deutsche Geist seine eigentliche Gestalt zurück.
    2) Mehrings fundamentaler Standpunkt bei der Erörterung der deutschen Klassik ist folgender. Erstens: “Unsere klassische Literatur war keineswegs eine vorwiegend literarische Erscheinung. Sie war ihrem inneren Wesen nach der beginnende Emanzipationskampf des deutschen Bürgertums.” Da das deutsche Bürgertum für seine sozialen, politischen Bewegungen nur einen engen Spielraum hatte, bot ihm einstweilen die schöne Literatur den einzigen Kampfplatz, auf dem es um seine soziale Emanzipation ringen konnte. Zweitens: der Erbe des Geistes der deutschen Klassik ist nicht die Bourgeoisie der Gegenwart, sondern das Proletariat. “Die bürgerliche Gesellschaft kann und wird keine neue Blüte der Literatur mehr erzeugen.”
    3) “Die Lessing-Legende” ist Mehrings literarisches Hauptwerk. Hier kann man alle seine Gedanken über die deutsche Klassik erfahren. Mehring hatte unter den Klassikern interessanterweise Lessing und Schiller am liebsten. Er glaubte bei ihnen das stärkste bürgerliche Selbstbewußtsein im 18. Jahrhundert zu finden. Lessing, den Heiligen des preußischen Patriotismus, wollte er als die Gestalt des kühnen Revolutionärs auferstehen lassen, und im Leben und Wirken Schillers sieht er ein Vorbild für die deutschen Arbeiter. Dagegen scheint er eine Abneigung gegen Goethe zu haben. Das ist für uns ein etwas problematischer Punkt. Er glaubt zwar, daß Goethe der größte unter den deutschen Dichtern ist und bleibt, doch war Goethe nach seiner Meinung aristokratischer, mit der Aristokratie versöhnlicher als Lessing und Schiller. Das ist in einem gewissen Sinne wahr. Welcher von beiden aber, Goethe oder Schiller, politischer, bürgerlicher, demokratischer war, läßt sich nicht leicht entscheiden. Thomas Manns Ansicht stimmt auch hier mit der Mehrings in gewissem Grade überein. Er sagt in seiner Abhandlung “Goethe und die Demokratie”: “Die konservative Liebe zum Volkselement, wie Goethe sie kannte und hegte, ist etwas anders als die ideelle und revolutionäre Liebe zur Menschheit, die Schillers pathetische Sache war, ... indem sie ihn zum Sänger eines politisch emanzipierten, die ökonomische Freiheit erobernden Bürgertums machte.”
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  • Über “die Dialektik von Erscheinung und Wesen”
    HARUKI URANO
    1967 Volume 39 Pages 11-19,131
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    1. Georg Lukács handelt, seit er 1933 in die UdSSR emigrierte, hauptsächlich über den Realismus und das Genre. Obwohl er als marxistischer Literaturtheoretiker seine eigene Frühschrift “Theorie des Romans” (1920) ablehnt, sieht er darin das erste ästhetische Werk unterm Einfluß Hegels. Er suchte in diesem Werke eine innigere dialektische Verknüpfung der ästhetischen Kategorie und des gesellschaftlich-geschichtlichen Inhalts herzustellen, als er sie bei Hegel vorfand. Später formuliert er den Realismus als “lebendige Dialektik von Erscheinung und Wesen”. Dahinter steht nach meiner Meinung der Einfluß Hegels. So schreibt Lukács: “Die Besonderheit des Ästhetischen sieht Hegel nun darin, ...daß durch die Erscheinung, um Hegels Ausdruck zu gebrauchen, das Wesen durchscheint.”
    Auf dem Gebiet der marxistischen Ästhetik stand damals das materialistische Moment im Vordergrund und das dialektische im Hintergrund. Daher hat der Einfluß der Hegelschen Dialektik eine große Bedeutung.
    2. In der “Sickingendebatte zwischen Marx-Engels und Lassale”, die er 1931 als ersten Beitrag zur marxistischen Literaturtheorie schrieb, sagt Lukács, daß Hegel in Götz und Sickingen den tragischen Helden sah, während Marx in ihnen nur den “miserablen Kerl” erblickte. Trotz ihres Unterschieds verstanden Hegel und Marx die dialektische Entwicklung der Geschichte und den notwendigen Untergang Sickingens als Vertreters einer untergehenden Klasse.
    Lassale dagegen brachte das individuelle Entschließen und Handeln in starren Gegensatz zu der Notwendigkeit der Geschichte und ethisierte es in einem Kant-Fichteschen Sinne, obgleich er auf seiner eigenen philosophischen Grundlage, der Dialektik Hegels, den Sickingen als notwendig Untergehenden hätte darstellen müssen. Auf den Unterschied Hegels und Marx' von Lassale legt Lukács großes Gewicht und hielt Hegel und Marx für dialektisch und Lassale für undialektisch. Hier können wir Hegels tiefen Einfluß auf Lukács erkennen. Dasselbe gilt für Lukács' Kritik über “Die Bauern”. Hier wird Balzac als Schriftsteller beurteilt, der die Dialektik der ökonomischen Entwicklung gesehen habe.
    3. In der Kritik über die Literaturtheorie Schillers schreibt Lukács: Schiller sah, daß die moderne Literatur zwischen einem empirisch-kriecherischen photographischen Realismus und einer manieriert-idealistischen Phantastik schwankte. Dieser photographische Realismus heißt Naturalismus. Lukács stellt den Realismus dem Naturalismus gegenüber, z. B. Balzac und Tolstoi gegen Zola.
    Nun aber ist Realismus nach Lukács' Meinung die Dialektik von Erscheinung und Wesen. Dies ist darum bemerkenswert, weil Lukács lange diese Feststellung wiederholt und Erscheinung und Wesen derart relativiert, daß bei eingehenderer Forschung hinter einer Erscheinung ein Wesen als andere, neue Erscheinung entsteht.
    Was ist nun das Wesen? Es wird von Lukács zwar als gesellschaftlich-geschichtlicher Prozeß begriffen, bleibt aber konkret ununtersucht. Ich glaube, wenn man das Wesen vorläufig als Klassenverhältnis betrachtet und es dann immer weiter relativiert, kann man auf diese Frage wohl eine Antwort finden. In diesem Sinne relativiert Lukács das Wesen noch nicht genug.
    4. Aus dem Gegensatz zwischen Erscheinung und Wesen folgen verschiedene Probleme. Lukács' Betrachtungen über den Expressionismus, Franz Kafka usw., sind charakteristisch. Nach Lukács' Meinung unterscheidet sich der Expressionismus vom Naturalismus grundsätzlich überhaupt nicht, obgleich jener von der Wirklichkeit abstrahiert, während dieser der photographischen Oberflächendarstellung treu bleibt.
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  • HIROSHI IKEDA
    1967 Volume 39 Pages 20-29,133
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Als die kommunistische Partei sein Werk “Geschichte und Klassenbewußtsein” verurteilte, entschloß sich Georg Lukács, auf einige Zeit nichts zu schreiben und sich auf die praktische Tätigkeit zu beschränken. Erst viel später begann er von neuem als ein unerschütterlicher Marxist mit der theoretischen Arbeit, im Kampf gegen den Faschismus, dessen Aufstieg und Machtergreifung er während seiner illegalen Organisationstätigkeit in Berlin mit eigenen Augen gesehen hatte. Er änderte seine frühe Position radikal, kritisierte nun in aufrichtiger Überzeugung seine ersten subjektivistischen und idealistischen Werke, vor allem das oben genannte und “Die Theorie des Romans” aus den Zeiten des ersten Weltkriegs, und zugleich den geistigen Nährboden dieser Werke: die Revolutionsungeduld, den selbstgefälligen Avantgardismus.
    Irren wir uns, wenn wir in dieser Selbstkritik Lukács' etwas Dunkles, sogar etwas Tragisches finden? Es mag für einen Menschen, namentlich einen Denker, notwendig sein, daß er mit dem raschen Wechsel der Wirklichkeit auf seine eigenen alten Gefühle und Gedanken verzichtet, stets bestrebt, ein neues Bewußtsein, eine neue Weltanschauung zu gewinnen; in diesem Bemühen können wir eine Eigenart des menschlichen Seins erkennen, das sich umgestaltend die Welt umformt. Der Fall Lukács' liegt aber etwas anders. Das Tragische besteht bei ihm hauptsächlich darin, daß er mit dieser Selbstkritik die positiven Momente seiner frühen Werke verworfen hat, statt sie in der neuen Situation konkret zu entwickeln. Diese totale Vernichtung, die Scheinkritik seiner frühen Gedanken führt Lukács notwendigerweise zu einer neuen, ebenfalls wirklichkeitsfremden Theorie.
    Dieses Problem zeigt sich besonders klar in seiner Roman-Theorie. Indem er den Begriff “Roman als etwas Werdendes, als ein Prozeß” aufgibt, hält er sich anderseits immer fester an dem Roman als der einzigen Form, in der man innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft die objektive Totalität der Wirklichkeit gespiegelt finden kann. In dieser “objektiven Totalität” bemerken wir also nicht mehr den Begriff des Übergangs, der in seiner “Theorie des Romans” eine sehr wichtige Rolle spielte, sondern nur ein versteinertes, in sich geschlossenes Wirklichkeitsbild, das in die künstlerischen Werke absolut vollkommen aufgenommen werden soll.
    Nur wenn wir die Welt als etwas Werdendes verstehen und in ihr verschiedene Momente, neben den alten, schon bestehenden auch die noch gärenden, auffällig neuen zulassen, kurz, wenn wir unsere Wirklichkeit als einen Übergang sehen, nur dann können wir die aktuelle Tätigkeit des Menschen auf dem Weg des Umgestaltens seiner Wirklichkeit als etwas Wirkliches anerkennen. Lukács' Roman-Theorie nach der Selbstkritik aus den dreißiger Jahren sieht aber die Totalität des Übergangs weder in der objektiven Wirklichkeit noch in der Form und dem Inhalt des Romans. Die große Epik ohne Totalität des Übergangs- das ist das Wesen des “Romans”, der sich in der Realismustheorie Lukács' der höchsten Schätzung erfreut.
    Dieser starre Romanbegriff verursacht nicht nur die Unterschätzung der kleineren literarischen Formen überhaupt, sondern die Ablehnung künstlerischer Experimente, die die neue Wirklichkeit mit neuen Formen und Methoden wiedergeben. So müssen die Versuche Kafkas, Musils, Joyces und aller anderen modernen Schriftsteller und Künstler als “Modernismus”, “Avantgardismus” oder “Dekadenz” abgetan werden; für Lukács sind die großen epischen Romane von Balzac, Tolstoi, Thomas Mann u. a. die einzigen realistischen Werke.
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  • MITSUYUKI FUNATO
    1967 Volume 39 Pages 30-39,135
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Die Grundlage der Thorie des sozialistischen Realismus ist die Theorie der Widerspiegelung. Die Tatsache, daß Georg Lukács die Theorie der Widerspiegelung und die des Realismus anerkannt hat, hatte innere Notwendigkeit. Das Scheitern der Weltrevolution in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts veranlaßte Lukács zu einer strengen Überprüfung seiner Weltanschauung. Er begann, der subjektiven Intention eines Menschen skeptisch gegenüberzustehen und die Erkenntnis der objektiven Wirklichkeit für das Wichtigste zu halten. Er erkannte also die Theorie der Widerspiegelung vollständig an.
    Seit aber im Jahre 1934 die Theorie des sozialistischen Realismus als die offizielle Kunsttheorie auf Kosten der modernen Avantgardismus anerkannt worden war, fehlte der Kunsttheorie des Marxismus Begriff vom Antirealismus.
    In der Zeitschrift “Das Wort” kam es im Jahre 1937 zur Diskussion über den Expressionismus. Diese Diskussion erhellte den Mangel der Theorie des Realismus und die Bedeutung der avantgardistischen Kunst (in diesem Falle des Expressionismus). In der Diskussion war Ernst Bloch Lukács' stärkster Gegner. Lukács lehnte vom Standpunkt des Realismus den Expressionismus ab. Bloch erklärte dagegen den sozialistischen Realismus für epigonenhaften Klassizismus und pries den Expressionismus als Zukunft antizipierende Bewegung. Diese vom Expressionismus antizipierte Zukunft war nach Bloch das Totum und ultimum, auf das alles menschliche Streben zielt.
    Für Bloch bedeutete der Expressionismus das Streben des menschlichen Willens zum Licht, zur höchsten Erfüllung. Für ihn handelte es sich um die Einbeziehung der in der Wirklichkeit gescheiterten Intention in das Noch-Nicht, auf das man wartet. Mit diesem literaturkritischen Versuch nahm Bloch selbst an der antizipierenden Bewegung im Überbau teil, die er für die wichtigste in der schöpferischen Kunst hält.
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  • JIRÔ KAWAMURA
    1967 Volume 39 Pages 40-48,136
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Was ist Literaturkritik? Diese Frage hängt mit der Wesensbestimmung der Literatur eng zusammen. Wenn man die Funktion der Literatur in einer Gesellschaft fest formulieren und daher auf die Frage, was Literatur sei, ohne weiters Antwort geben kann, so braucht man nicht zu fragen, welche Aufgabe der Literaturkritik gestellt werden solle. Als arbiter elegantiarum, als Sachverständiger in den Dingen des Geschmacks kann der Kritiker ruhig sein Geschäft betreiben, verschiedene literarische Produktionen nach bestimmten Regeln beurteilen und einordnen. Aber wenn der allgemeine Begriff der Literatur ins Schwanken gerät, indem man sich darüber nicht mehr klar wird, wozu sie dient, dann vermag man auch die Regeln nicht mehr aufzustellen, nach denen der Kritiker sein altes Geschäft betreiben soll. Hier beginnt eine literarische Anarchie, und in dieser Anarchie kommt der entscheidende Moment, wo Kritik von den literarischen Produkten, die bisher als ihre eigentlichen Gegenstände gegolten haben und denen sie jedenfalls untergeordnet war, Abschied nimmt und sich selbständig macht. Kritik kann jetzt stolz erklären, sie selber sei eine Gattung der Literatur, stehe mit Epik, Lyrik und Drama auf gleicher Stufe. Aber Unabhängigkeit bedeutet immer eine Krise. Der Weg zu dieser Unabhängigkeit ist ein wenig zu gefahrvoll und mühselig, als daß der Kritiker seine neugewonnene Freiheit bequem genießen könnte. Losgelöst von den eigentlichen Gegenständen, mag der Kritiker zwar seine eigene Gedankenwelt in froher Einsamkeit zum Ausdruck bringen, doch zugleich droht ihm beständig die Gefahr, auf der schwindelnden Höhe der Isoliertheit zu erfrieren. Es ist, als sei er zwischen die Szylla des Untergeordnetseins und die Charybdis des einsamen Verfalls geraten. Hier wird nur die Schlauheit und Tapferkeit eines Odysseus diese Gefahr überwinden und zur seltsam doppeldeutigen Schönheit der Kritik gelangen können. Über dieses Problem der Kritik haben die beiden großen Kritiker unserer Zeit, Georg Lukács und Theodor W. Adorno, in ihren bemerkenswerten Aufsätzen nachgedacht, in denen der “Essay als Form” zum Hauptthema gewählt und aufs gründlichste untersucht wird.
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  • NAGAHARU SANKO
    1967 Volume 39 Pages 49-58,137
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Das Adornosche Denken umkreist immer wieder, trotz seiner zentrifugalen Ausstrahlungen, die fast alle Bereiche der Kultur berühren, etwas wahrhaft Zentrales. Er nennt es Utopie, obwohl es oft genug eher einem Nichtexistenten, Nieeingetroffenen gleicht. Unter einem gewissen Gesichtspunkte wäre es höchstens als eine Art Archimedischer Punkt zu betrachten, der, selber verborgen, die ganze Welt in ihrer Negativität aufzuheben imstande ist, oder aber die geheimste Waffe eines Kritikers, der sich mit dem Immergleichen der Welt, dem affirmativen Charakter der Kultur in permanentem Gefecht befindet. Auf jeden Fall kann er es selber nur in der Negation zum Ausdruck bringen, als ‘das Nichtidentische’, oder ‘was anders wäre’ (nach Wagners Wotan). Daher sein Negativismus, der im gängigen Positivismus einen gut getarnten Konformismus wittert, was auch in der Tat dessen Ahnherr Auguste Comte offen zugestanden hat. Daher auch sein Unbehagen am Existenzialismus, der mit seiner ethischen Forderung nach der Identität des Denkenden mit seinem Denken eben das Denken um sein Bestes bringt, nämlich um seine Nichtidentität mit dem Denkenden selber. Daher weiter seine Ästhetik des Fragmentarischen, die gerade im Brüchigen der Kunstwerke den sonst vergeblichen Ausbruch aus der Kulturimmanenz erblickt, ferner einer seiner vielleicht genialsten Einfälle, ‘das fiktive Zitat’, das das nichtexistente Original als Utopie der Kunst voraussetzt (übrigens: St. Mallarmés Konzeption von einem ‘einzigen Buch’ scheint nicht weit davon entfernt). Man bliebe aber im Vagen, falls sich nicht seine utopische Tendenz bis in die kleinste Zelle seiner Erkenntnistheorie hinein verfolgen ließe, bis in seinen Begriff der Begriffe hinein, in dem sein methodisch unmethodischer Essayismus seine Begriffe nach der Utopie hin konfigurieren möchte. Seine Kritik am neopositivistischen Verfahren, das aus Begriffen zunächst einmal tabula rasa zu machen unternimmt, wurzelt zutiefst in diesem Wunsch. In diesem Zusammenhang steht dann auch sein ‘entschlossener Alexandrinismus’, der profane Texte wie heilige ansieht, wahrhaft ein Synonym für einen Messianismus, der durch die Kulturimmanenz hindurch die Transzendenz heimzubringen erhofft. Die Stunde schlägt, nach des Abendlanges verlorener Zeit zu forschen, erst recht nach dessen Untergang, weil gerade im Bilde der untergehenden Kultur wortlos fragend die Utopie beschlossen liegt.
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  • YOSHIHIKO SHIROYAMA
    1967 Volume 39 Pages 59-68,138
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Hermann Broch ist ein methodologischer Dichter. Sein kritisches Denken über die Dichtung ist bemerkenswert. Ich will sein Bild des modernen Romans skizzieren, und zwar besonders in bezug auf seine Essays und Briefe. Man kann vielleicht sagen, seine Romantheorie hängt mit Joyce und Kafka eng zusammen, oder richtiger, sein Bild des modernen Romans zeigt den Weg von Joyce zu Kafka. Aber das ist nicht eindeutig.
    Wie seine Briefe aus den dreißiger Jahren klar machen, war er überzeugt, daß der Totalitätsanspruch Joyces einzig legitim war, während er sich selbst bewußt war, daß sein eigenes Ziel nicht ganz in der Richtung von Joyce lag. Ehe er Joyce las, war seine werttheoretische, geschichtsphilosophische Haltung festgelegt. Gemeinsamkeit und Unterschied zwischen ihnen kann man in seinem Essay “James Joyce und die Gegenwart” finden.
    Broch bewundert fast mit Schrecken Joyces neue Kosmogonie mit ihrem so bedeutenden sprachlichen und stilistischen Schichtenreichtum und ihrer genauen Architektonik, weniger im Sinne der symbolistischen Welt- und Sprachauffassung oder der Spiegelnug des mittelalterlichen, scholastischen Geistes, als vielmehr im Sinne des Erkenntniswollens, das das Irrationale des Menschen und der Welt entlarvt, dennoch dem Chaos eine neue, wenn auch künstlerische, Ordnung abringen will. Eben daher auch seine Kritik und Forderung an Joyce: Die wahre Totalität. kann bloß vom Ich, vom transzendentalen Bewußtsein aus erzielt und bestimmt werden, deshalb muß das neue Kunstwerk seinen logischen Ort in dieser letzten Sphäre ein für allemal festsetzen. “Und deshalb ist es auch von so unbedingter Notwendigkeit, daß jene neue Kosmogonie letztlich ein platonisches System ergibt, einen Durchschnitt durch die Welt, der dennoch nichts anderes ist als ein Durchschnitt durch das Ich, durch ein Ich, das zugleich das Sum und das Cogito ist, der Logos und das Leben zugleich, wieder zu Eins geworden, zu einer Simultaneität, in deren Einheit das Religiöse an sich aufschimmert.”
    Ob diese Forderung an Joyce gültig ist oder nicht, der Totalitätsanspruch bei Broch rückt hier an das Biblisch-Prophetische heran, oder vielmehr, an die jüdisch-platonische Ekstase Philons von Alexandrien. Dieses jüdischplatonische Element ist das Höchste und Beste sowohl an seiner Dichtung als auch an seinem Bild des Totalitätskunstwerks, nicht der Konstruktivismus.
    Anfang der dreißiger Jahre war Broch auch von Kafka fasziniert. Sein Einfluß auf Brochs Erzählungen wäre zu zeigen. In dem Vortrag “Das Weltbild des Romans” sieht er in Kafka und van Gogh “einen erweiterten Naturalismus”, der in einem tieferen Sinne die Welt so gibt, wie sie ist. Von Angst beschwert sind Kafkas Dichtungen, in denen dennoch “die Befreiung von aller Angst aufatmet.” Abet M. Durzaks Meinung (Broch. Rowohlt 66.), entscheidend sei in dem Vortrag, daß als positives Muster nicht so sehr Joyce als Kafka genannt sei, ist nicht richtig. Wie der Schluß zeigt, gilt Joyce noch immer als das positivste Muster.
    Seit dem Essay “Die mythische Erbschaft der Dichtung” rüuckt eher Mythos als Totalität in den Mittelpunkt seines poetologischen Denkens. Aber noch immer erscheint Joyce neben Th. Mann als Vorbild. Der Sinn der mythischen Dichtung ist kein anderer als der im Joyce-Aufsatz. Erst im Essay “The style of the mythical age” findet die Umwertung statt. “In Joyce one may still detect neo-romantic trends, a concern with the complications of the human soul... In Kafka the personal problem no longer exists, and what seems still personal is, in the very moments it is uttered, dissolved in a super-personal atmosphere. The prophecy of myth is suddenly at hand...”
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  • MICHIRU IMAI
    1967 Volume 39 Pages 69-78,140
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    E. R. Curtius und das schöpferische Künstlertum-das ist ein nicht einfaches Thema. Curtius glaubte, daß eine neue, lebensfähige französische Literatur begonnen habe, die von den Deutschen ein neues Frankreichbild verlange, und versuchte, sie in einem Buch darzustellen. Seine erste kritische Schrift “Die literarischen Wegbereiter des neuen Frankreich” wurde vom Publikum günstig aufgenommen und von “Times Literary Supplement” als äußerst geglückt begrüßt. Der Verfasser erntete indes eine scharfe Rüge von dem Meister Stefan George, dem er sich durch die Vermittlung Friedrich Gundolfs verehrend angeschlossen hatte. Curtius erkannte, daß seine Begabung dem Wesen nach eine andere war als die Gundolfs. Er erwachte zu sich selber und trat einen anderen Weg an, der auch zum Geheimnis des Kunstschaffens führt, ohne doch selber das Schöpfertum zu erstreben.
    In den 1920er Jahren entfaltete Curtius eine rege kritische Tätigkeit. Er lernte mit der Feder hantieren und “sie an Gegenständen versuchen, die noch fast unberührt waren.” Was denn entdeckte er? -große Namen wie Gide, Rolland, Claudel, Valéry, Proust und sogar die Größe Balzacs! Wenn diese wirklich “fast unberührt” geblieben waren, so war es der Kritiker, der diese Schatzkammer entdeckt hatte. Der Schlüssel dazu war die neu errungene Einsicht in die französische Geisteshaltung. Nicht nur die im 17. Jahrhundert, der großen Ära Frankreichs, festgegründete klassizistische Kultur macht das Wesen des Franzosentums aus, sondern auch ein vitaler Geist durchdringt dessen Kulturphänomene. Für Curtius war Balzac der Vertreter dieses Vitalismus. Er suchte nach einer Deutung, die die einzigartige Größe Balzacs verstehen ließ, und es gelang ihm, die Weltanschauung des Autors, die “All-Einheits-Lehre”, zu finden, die die “Comédie Humaine” möglich, ja notwendig machte.
    Aus dieser Entdeckung des französischen Geistesbestandes strömen jetzt zwei Arten kritischer Tätigkeit für Curtius: die eine kann man Kulturkritik nennen. Er setzte sich mit dem traditionellen klassizistischen Selbstbewußtsein der Franzosen auseinander, das manchmal zum Nationalismus tendierte, zugleich bemühte er sich, den Deutschen zum echten Frankreichbild zu verhelfen. Die Rolle, die er hierbei auf sich nahm, war eine vermittelnde. An den politischen und sozialen Zuständen scheiterte sein jahrelanges Bemühen um Verständigung der beiden Nationen, das er mit der Arbeit “Friedrich Schlegel und Frankreich” zum Abschluß brachte, wobei er jetzt aber ausdrücklich auf die aus der deutsch-französischen Dialektik sich entfaltende “neue Konzeption Europas” zielte.
    Die andere Art seiner Kritik ist reine Literaturforschung, die in der Beschäftigung mit “Marcel Proust” gipfelt. Darin läßt er die Wesensart seiner Kritik erkennen. Wahre Kritik müsse so geschehen: Der Kritiker beginnt ohne jedes Vorurteil zu lesen, plötzlich stößt er auf einen Satz, “der sich aus seiner Umgebung herauslöst und etwas Besonderes zu enthalten scheint: einen gleichsam transparenten Satz, der die Eigentümlichkeit des Autors ahnen... läßt.” Solche besonderen Stellen, die aufeinander folgen, machen uns “eine seelische Nuance, eine geistige Eigenart des Verfassers” deutlich. Nur so aufgefundene Einzelzüge als “die seelischen Formelmente eines Autors” können ihn uns verstehen helfen. Kritische Begabung ist schließlich “nichts anderes als die Fähigkeit, von solchen Einzelzügen frappiert zu werden.”
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  • HISAO TAKAGI
    1967 Volume 39 Pages 79-88,142
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Von allen philosophischen und ästhetischen Fachausdrücken dürften die Worte “Kritik” und “kritisch” in den Schriften der Frühromantiker die häufigsten sein. Durch Kants philosophisches Werk hatte der Begriff der Kritik für die jüngere Generation eine gleichsam magische Bedeutung erhalten. Er verband sich nicht mit dem Sinn einer bloß beurteilenden, nicht-produktiven Geisteshaltung, sondern für die Romantiker bedeutete der Terminus “kritisch”: objektiv produktiv, schöpferisch aus Besonnenheit.
    In dieser positiven Bedeutung gewinnt das kritische Verfahren die nächste Verwandtschaft mit dem reflektierenden. Die Reflexion erweitert sich schrankenlos, und das in der Reflexion geformte Denken wird zum formlosen Denken, welches sich auf das Absolutum richtet. Die Romantiker verlangen für das Werk eine immanente Kritik, die in ihrer zentralen Absicht nicht Beurteilung, sondern einerseits Vollendung, Ergänzung, Systematisierung des Werkes, andrerseits seine Auflösung im Absoluten bedeutet.
    “Wir müssen uns über unsre eigene Liebe erheben und was wir anbeten, in Gedanken vernichten können, sonst fehlt uns...der Sinn für das Unendliche.” In diesen Äußerungen hat Schlegel sich über das Zerstörende in der Kritik, über ihre Zersetzung der Kunstform deutlich ausgesprochen. Das Zerstörende und das Absolutum in der Kritik spielen auch bei Benjamin eine große Rolle.
    “Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie.” Diese Progressivität ist durchaus nicht das, was unter dem modernen Ausdruck “Fortschritt” verstanden wird, nicht ein gewisses, nur relatives Verhältnis der Kulturstufen zueinander. Sie ist, wie das ganze Leben der Menschheit, ein unendlicher Erfüllungs-, kein bloßer Werdeprozeß. Dieser Erfüllungsprozeß ist die Geschichte. Der Begriff Geschichte meint nicht die bloße Aufeinanderfolge von Begebnissen und Zuständen, sondern die Erlösung von Mensch und Natur. Er mißt die Begebnisse und Zustände am Unbedingten der Erlösung. Der Begriff Geschichte schließt deshalb die Kritik des Bestehenden ein. Die Kritik verlangt von ihrem Gegenstand immer das Höchste. Das Höchste ist Ursprünglichkeit. In der Vergangenheit sucht Benjamin immer den “Ursprung”. In der “Einbahnstraße” heißt es unter dem Titel “Verlorene Gegenstände”: “Haben wir einmal begonnen, im Ort uns zurechtzufinden, so kann jenes früheste Bild sich nie wiederherstellen.” Um dieses frühesten Bildes willen, das nicht verloren gehen darf, weil es die Zukunft birgt, wird die Fähigkeit sich zu verirren zum Wunsch. Zwar ist der Weg zum Ursprung ein Weg zurück, aber zurück in ein Künftiges, das mehr vom Versprechen bewahrt als dem heutigen Bild von der Zukunft gegeben ist.
    Benjamin will die Dinge nicht in ihrem ahistorischen Wesen schauen, sondern er strebt nach historischer Erfahrung und Erkenntnis. Nach Benjamins Lehre wohnt der Wahrheit selbst ein “Zeitkern” inne, der den Begriff eines ontologisch reinen Seins verwehrt. Benjamin hatte sich des Kinderglaubens an die geschichtslose Unveränderlichkeit und Dauer geistiger Gebilde tapfer entschlagen. Für ihn sind “historisch” und “dialektisch” dasselbe. Sein dialektisches Denken gibt der Erfahrung und Erkenntnis eine große Schwingweite. Die Erkenntnis, die einer konkreten Totalität der Erfahrung entspricht, begründet Benjamins Kritik.
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  • FUMIKO NAGAHASHI
    1967 Volume 39 Pages 89-98,143
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Zum Tode Paul Rillas schrieb Bertolt Brecht: “Arbeitend unter den ebenso schwierigen wie begluckenden Bedingungen des sozialistischen Aufbaus in einem durch Krieg zerstörten Land, maß er die Literatur und das Theater an ihren Werten für diesen Aufbau, und mit den Resultaten seiner Meßmethoden gab er den neuen Lesern und Zuschauern diese Meßmethoden selbst in die Hände. Stimmgabel und Seziermesser mit gleicher Meisterschaft hantierend, erklärte, sichtete und lehrte er lieben die klassische und zeitgenössische Literatur.” Welche Methoden gibt uns Paul Rilla in die Hände? In diesen Notizen werden seine kritischen Arbeiten von drei Blickpunkten her untersucht. Zugleich sollen sie ein Versuch sein, Aufgaben und Kriterien der Kritik in der Gegenwart in klares Licht zu stellen.
    1. Für Paul Rilla gilt die Einheit von Theorie und Praxis als ein Grundprinzip der literarischen Kritik. Darin erinnert er uns an eine große Tradition in der deutschen Geistesgeschichte-besonders an Lessing. Lessing bleibt uns immer ein großes Beispiel nicht nur für die Einheit von künstlerischer Theorie und künstlerischer Praxis, sondern auch für die Untrennbarkeit von künstlerischer und gesellschaftlicher Praxis. Indem Paul Rilla in seinem Buch “Lessing und sein Zeitalter” zeigt, wie Lessing als erster in Deutschland bewußt den Kampf für eine selbstständige nationale Literatur führte und eben in diesem Kampf seine realistischen Kunstprinzipien entwickelte, eignet er sich zugleich dieses nationale Erbe an. Er zieht daraus folgenden Schluß: “Je klarer die gesellschaftliche Kampfposition, von der aus geurteilt wird, um so beträchtlicher und folgenreicher die Resultate des ästhetischen Klärungsprozesses.”
    2. Für die Methode der Literaturgeschichte und der Literaturkritik betont Paul Rilla die Wechselbeziehungen aller historischen Faktoren “auf Grundlage der in letzter Instanz stets sich durchsetzenden ökonomischen Notwendigkeit.” Es ist ihm wichtig, sich gegen eine Vulgarisierung des Marxismus zu verwahren, denn die Karikatur einer vulgären materialistischen Doktrin wird immer noch von den Gegnern des Marxismus für Marxismus ausgegeben. Er schreibt: “Die historisch-materialistische Methode, welche auf die tatsächlichen Bedingungen zurückgeht, unter denen Literatur entsteht, setzt eben damit den Geist, den Gedanken, die Idee in ihre echte historische Funktion ein. Sie ist weit davon entfernt, ein mechanisch selbsttätiges System von materieller Ursache und geistiger Wirkung aufzustellen.” In dem Essay “Urteil und Vorurteil” stellt er fest, daß die Literatur aus dem geschichtlichen Leben und seinen sozialen Konflikten erklären, nicht heißt, ihre geistige und künstlerische Bedeutung zu verkleinern, sondern im Gegenteil ihr das Gewicht eines schöpferischen Vorgangs zu'geben, “worin Geist und Kunst die volle Wirklichkeit umfangen.”
    3. Von seinen meisterhaften Essays über die zeitgenössische Literatur werden hier nur zwei erwähnt: “Thomas Manns Novelle ‘Tristan’” und “Die Erzählerin Anna Seghers”. In beiden handelt es sich um den Realismus heute.
    In dem Essay “Thomas Manns Novelle, ‘Tristan’ ” ist das Problem der künstlerischen Dekadenz scharf analysiert. Paul Rilla weist darauf hin, daß Thomas Mann in dem Roman “Buddenbrooks” die bürgerliche Dekadenz nicht ästhetisch illuminiert, sondern künstlerisch gestaltet, und daß der Roman sich deshalb der Auflösung, dem Inhalt des Romans, widersetzt. Bei der Interpretation der Novelle “Tristan” ist alles auf den Humor angelegt, mit dem Thomas Mann hier die Künstler-Problematik behandelt
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  • HIDEO OZUMI
    1967 Volume 39 Pages 99-107,145
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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    Es gibt bereits eine “moderne Tradition”. Hugo Friedrich betrachtet Rimbaud und Mallarmé als Gründer und Führer der modernen Lyrik Europas. Zwischen ihnen und dem Dichter unserer Gegenwart bestehen Gemeinsamkeiten einer Struktur, die man nicht aus Einflüssen allein erklären kann. Erst von ihnen aus fällt Licht auf die Stilgesetze der heutigen Dichter und von diesen aus wird wiederum deren erstaunliche Modernität deutlich. Moderne Lyrik läßt sich nur in ihrer Struktur erkennen. Der Begriff der Tradition ist dabei eine Art geschichtlicher Notwendigkeit der Strukturver-bundenheit.
    Von der Tradition als literarischem Erbe hält Friedrich in diesem Zusammenhang nicht viel. Erscheinungen verbunden mit dieser Tradition sind ihm nur geistesgeschichtliche negative Bilder, “geisterhafte Reste einer geborstenen Vergangenheit” -so meint Friedrich. Dagegen spricht er vom Zeitgeist. Vom Geist einer Zeit, deren Zeichen “Dissonanz” ist und die ihm nur negative Begriffe liefern will, um die Wesenszüge ihrer Lyrik zu beschreiben. Für ihn scheint moderne Lyrik ihre Möglichkeit erschöpft zu haben und droht zuweilen sich selbst zu vernichten. “Selbstmord der Lyrik”, eine Analogie zu der Tatsache, daß der Mensch daran arbeitet, den Erdball in die Luft zu sprengen.
    Im Protest gegen Friedrichs “Pessimismus” will H. O. Burger die Kluft zwischen Tradition (d. h. der klassischen) und Moderne überbrücken. Burger führt den Begriff “evokatives Äquivalent” ein im Gegensatz zum “adäquaten Symbol” der Klassik. Man wird erinnert an T. S. Eliots berühmten Terminus “objektive correlative”, die Figur, die in ihrer Evokationskraft der inneren Emotion äquivalent ist. Bei Burger ist es das “exorbitante Erlebnis”, dem die Figur äquivalent ist. Exorbitant bedeutet “aus dem Wege gehen, ” d. h. die gewohnte Welt aufbrechen. (Bei Friedrich ist vom “Wegstreben aus Wirklichkeit und Normalität”, einer Variation des klassischen “Über-sich-hinaus”, die Rede.) Solche Erlebnisse darzustellen oder hervorzurufen macht seines Erachtens das innerste Wesen der Dichtung aus. Burger glaubt im Zurückgehen auf dieses Aufbrechen der Welt den gemeinsamen Grund gefunden zu haben, der Tradition und Moderne zusammenhält und zugleich trennt. “Das evokative Äquivalent im modernen Gedicht ist eine folgerichtige Weiterbildung des adäquaten Symbols im klassischen.” Hölderlins Ode ‘Der Abschied’ bestätigt als Zwischenglied diese “Weiterbildung.” Aber ist die Kluft wirklich geschlossen vermittels dieses Brückenbaus? Kann der Begriff des “evokativen Äquivalents” hinreichend sein, um das Wesen moderner Lyrik zu beschreiben? Bei T. S. Eliot ist der Begriff “objektive correlative” gemünzt auf die Ausschließung der Subjektivität aus dem lyrischen Wortkunstwerk, und die Voraussetzung für diesen Begriff ist die Unsagbarkeit der Emotion. Was könnte die Voraussetzung sein für Burgers “evokatives Äquivalent”? Vielleicht die moderne Sprachproblematik, die in ihrer Grenzsituation zum “Verstummen und Schwatzen” (Hans Mayer) führt?
    Moderne Stilbegriffe sind stark geschichtsbezogen und tragen sozusagen einen “heuristischen Erkenntniswert”. G. Benn stellt fest, daß die Subjekt-Objekt-Beziehung in der klassischen Form, d. h. das “Stimmungsgedicht”, das aus dem Gegenüber von Ich-Objekt und äußeren Objekten besteht, fast ganz aufgehört hat zu existieren. Diese dichterische Erkennt-nisform hat zwar aufgehört zu existieren. Aber die Problematik, aus der solche Form entstanden ist, bleibt und erfordert eine Neugestaltung
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  • SETSUKO SHIMAYA
    1967 Volume 39 Pages 108-119
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • FUMIO HASHIMOTO
    1967 Volume 39 Pages 120-128
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • Kaiserreich, erster Weltkrieg und erste Nachkriegszeit (1889-1933) Goverts Neue Bibliothek der Weltliteratur, Henry Goverts Verlag Stuttgart 1965
    R.-R. WUTHENOW
    1967 Volume 39 Pages 147-149
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • Suhrkamp Verlag 1966
    [in Japanese]
    1967 Volume 39 Pages 150-152
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • [in Japanese]
    1967 Volume 39 Pages 153-155
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • [in Japanese]
    1967 Volume 39 Pages 156-158
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • [in Japanese]
    1967 Volume 39 Pages 159-161
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • [in Japanese]
    1967 Volume 39 Pages 162-163
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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  • [in Japanese]
    1967 Volume 39 Pages 164-168
    Published: October 28, 1967
    Released on J-STAGE: June 30, 2008
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