Die an den Chromosomen den verschiedenen Pflanzen und Tiere durchgeführten Untersuchungen brachten bis heute keine klärende Auffassung vom Chromosomenbau. Weder die Frage, ob das chromatische Material von einer Chromosomenmatrix umgeben ist, noch der strukturelle Aufbau der Chromosomen konnten geklärt werden. Die Existenz einer Chromosomenmatrix, die nach lichtmikroskopischen Beobachtungen umstritten war (vgl. S. 6) und nach elektronenoptischen Untersuchungen weitgehend abgelehnt wurde, ist nach jüngsten Elektromikrogrammen erneut zu diskutieren. Eine Matrixähnliche Struktur konnte elektronenoptisch bisher allerdings nur in der praemeiotischen Mitose von
Paeonia tenuifolia gefunden werden (PEVELING 1966). Die Untersuchungen sprechen für eine Anlagerung von Matrixsubstanz um eine chromonematische Substanz zu Beginn der Kernteilung. Entsprechende Beobachtungen liegen lichtmikroskopisch an Mais-Chromosomen vor (Mc CLINTOCK 1934). Außerdem konnte am selben Objekt ein Zusammenhang zwischen Nucleolussubstanz und Chromosomen lichtmikroskopisch nachgewiesen werden (MCCLINTOCK 1934). Beziehungen zwischen Nucleolus und Chromosomensubstanz wurden auch elektronenmikroskopisch gezeigt im Wurzelmeristem von
Allium cepa und
Vicia faba (LAFONTAINE 1965) und im Wurzelmeristem von
Hordeum vulgare und
Cucumis sativus (PEVELING, unveröffentlicht). -Über die chemische Natur der Chromosomenmatrix fehlen allerdings noch Untersuchungen. Ob es sich um Nucleolusmaterial handelt oder um Phospholipide (LA COUR u. CHAYAEN 1958), wovon die Chromonemata zu Beginn der Spiralisierung eingehüllt werden, ist zur Zeit noch nicht zu entscheiden. In jedem Falle zeigt sich bei der Darstellung der Matrix eine starke pH-Abhängigkeit, worauf bereits ZEIGER (1934) hinwies.
In der Frage nach der Strukturordnung der chromonematischen Substanz stehen sich als zwei Haupttheorien die beiden Auffassungen von der Vielsträngigkeit (vorwiegend vertreten durch KAUFMANN und RIS) und der Einsträngigkeit (vertreten von TAYLOR) gegenüber. Die Vorstellung von der Vielsträngigkeit eines Chromosoms, die Polynemiehypothese, beruht auf Beobachtungen von Chromosomen im Licht und Elektronenmikroskop; die Theorie von der Einsträngigkeit ist dagegen auf indirekte Schlüsse nach autoradiographischen Versuchen zurückzuführen. Der Begriff der Vielsträngigkeit wird angewandt sowohl auf die lichtmikroskopisch sichtbaren Einheiten des Chromosoms-die Chromonemata-, als auch auf sublichtmikroskopische Fibrillen im Bereich von 100Å Dicke (vgl. Tab. 1). Auf nur einen DNS-Faden in Form der Doppelhelix weist neben den Markierungsversuchen auch der Zerfall der Achse mit ihren seitlichen Schleifen nach DNase-Behandlung von Lampenbürstenchromosomen hin (GALL 1963b). Die Beobachtung einer an mehreren Stellen gleichzeitig einsetzenden DNS-Vermehrung spricht für eine DNS-Doppelhelix, die aus mehreren Replikationseinheiten besteht (KEYL u. PELLING 1963, PLAUT 1963).
Sowohl nach Untersuchungen mit Schleifenmutanten bei Lampenbürstenchromosomen (HESS 1965) als auch nach Bestimmungen mit Hilfe des Dichtegradienten an
Vicia faba Chromosomen (TAYLOR 1965) wird für die DNS-Doppelhelix folgendes angenommen. In weiten Abschnitten soll die DNS keine genetische Information geben, sondern als Primer für die Bildung von messenger-RNS für bestimmte Proteine dienen. Die zwischen den Primer liegende DNS gibt genetische Information.
Es erhebt sich nun die Frage, ob die Hypothesen vom ein-oder vielsträngigen Chromosomenbau, die sich einander gegenüber stehen, nicht durch eine Gesamtschau aller Ergebnisse zu einer Synthese geführt werden können.
Überblickt man die Untersuchungen an Chromosomen verschiedener Organismen, so werden immer mehr Schleifenstrukturen entdeckt.
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